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Alter Tratsch,
an einer Schöpfung, die sie im Anfang als eine nationale Sache hingestellt haben, auf die Dauer keine Freude finden werden. ^
Alter Tratsch.
m Jahre 1831 äußerte ein Schriftsteller, der früher in Paris gelebt hatte: „Heine muß ein neues Buch vorbereiten," und auf die Frage, woher er das mutmaße, gab er zur Antwort: „Aus den Zeitungcu, die fortwährend Nachrichten über Heines Krankheit bringen — das ist ein untrügliches Zeichen," Das Zeichen hatte in der That nicht getrogen, wenige Monate später erschien „Romancero." Und aus den Briefen des Dichters, welche zehn Jahre nach seinem Tode veröffentlicht wurden, ersah man, daß dieser nicht allein der deutschen Lyrik für Jahrzehnte seinen Stempel aufgedrückt, nicht allein in trautem Verein mit seinem Todfeind Börne das deutsche Feuilleton geschaffen habe, sondern daß er auch der Erfinder der orgcmisirten literarischen Reklame sei. Nun, er braucht sich seiner Schüler nicht zu schämen. Wie sie seit Jahren das deutsche Lesepublikum auf das Erscheinen der Memoiren Heines vorbereitet haben, das hätte der Meister selbst nicht besser machen können.
Sie existiren, sie existiren nicht mehr, sie haben niemals existirt, sie existiren doppelt, dreifach; der hat sie gesehen, jener sie in Händen gehabt, wenige Bogen, nein, ganze Berge von Blättern; aber wo sind sie geblieben? er selbst hat sie vernichtet, nein, seine Familie hat sie verbrannt, nicht doch, die österreichische Negierung hat sie angekauft und verbirgt sie im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchive, deshalb ist ja Österreichs Schuldenlast so groß! aber die Pfiffigen Diplomaten haben sich getäuscht, Heine hat wieder von vorn angefangen und viel, viel schärfer — so tauchte die Seeschlange immer aufs neue empor, und als endlich niemand mehr auf die Schiffernachrichten achtete, da hatte man plötzlich den Versteck aufgefunden und konnte melden, daß sie, Heil uns! demnächst im Druck erscheinen würden.
Wie gesagt, meisterhaft in Szene gesetzt. Aber das war noch nicht genug. Der kaltblütige Leser der Zeitungen konnte sagen: Was schiert mich eine Autobiographie Heinrich Heines? Ich lese seine Schriften nicht mehr, die sich schon meist mit seiner werten Person und deren großen Schmerzen beschäftigen. Was kann er noch zu erzählen haben? Politische Geheimnisse, deren Verrat irgend eine Macht zu fürchten hätte? Lächerlich. Ihm hat niemand etwas anvertraut, und wäre es doch geschehen, so würde Heine den kostbaren Stoff bei Lebzeiten verwertet haben.