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Die Engel auf Erden : Roman : aus dem Italienischen :
(Fortsetzung.)
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Die Lngol auf Liden.

Seid Ihr ganz sicher, daß sie dies so gesagt hat?

Lassen Sie mich das Privilegium der Romanschriftsteller benutzen, wonach sie im Herzen und Hirn ihrer Helden lesen dürfen.

Ach ja, ich vergaß, daß Ihr einen Roman erzählt.

Eines schönen Tages sagte ihm ein edler junger Florentiner er war ein Freund des Fremden, aber nicht von Adel: Weißt du was? Die Frau Laurette wünscht, daß du dich vorstellen läßt. Ach, Gräfin! Welche Wonne für den Ärmsten! Wer könnte Ihnen die verführerische Anmut schildern, mit der die Zauberin ihm entgegenkam! Sie wollte geliebt sein. Kurz, es dauerte keine acht Tage, so liebte sie der junge Mann so leidenschaftlich, daß er an nichts dachte als an sie, daß er in der Sehnsucht nach einem Lächeln von ihr alles, Vaterland, Familie, Ruhm und Manneswürde vergaß!

Da hat er sehr Unrecht daran gethan. Und sie hatte auch Unrecht, daß sie aus Edelmut oder aus Höflichkeit es unterließ, bei den ersten Worten von Liebe, die er sich unterstand an sie zu richten, ihm Stillschweigen aufzuerlegen.

Sie reden wie ein moralisches Buch. Aber wissen Sie, was nun geschah? Hören Sie! Es war schon ein großer Schritt, daß der Treuherzige durch seine flammenden Blicke seine Leidenschaft offenbarte, aber das genügte der Dame noch nicht, denn der blinde Liebhaber hatte im Gefühle seines Nichts noch kein Sterbenswörtchen von Liebe zu sagen gewagt. Sie wollte erst noch das Wunder vollbringen, dem Stummen die Sprache zu verleihen, und war neu­gierig, zu hören, in welcher Sprache der ebenso furchtsame als leidenschaftliche Anbeter reden würde. Er hatte bisher immer vermieden, mit ihr allein zu sein, und war schon durch den bloßen Gedanken daran in Schrecken gesetzt worden. Überdies war die Blödigkeit des Neulings durch gewisse Skrupel verdoppelt. Es gab nämlich noch einen Ehemann, welcher dem Unerfahrnen als die Figur eines Edelmanns von altem Schrot und Korn erschien; und der Treuherzige war noch zu jung, um unter der äußern Gutmütigkeit beißende Ironie und ohnmächtige Bosheit wahrnehmen zu können.

Ei! Ihr verschont ja niemand. Ihr müßt zugeben, daß ich mehr als gutmütig bin, wenn ich Euch noch weiter zuhöre.

Eines Tages befanden sich, in Laurettens Salon jener junge Mann, ferner der Freund, der ihn vorgestellt hatte und selbstverständlich auch die Dame. Sie sah in der schmachtenden Haltung einer Romanheldin schöner aus, als je. Der Freuud erhob sich und streckte die Hand aus, um Abschied zu nehmen, der jnnge Mann machte eine Bewegung, um dem Beispiele zu folgen; er saß dicht neben ihr, und seine Knie berührten leicht ihr aufgebauschtes Kleid. Da ergriff eine kleine, aber nervigte Hand heimlich die seinige und preßte sie heftig, und eine leise, aber befehlshaberisch und demütig zugleich ertönende Stimme flüsterte ihm zu: Bleibe! Der Ärmste fiel auf seinen Sessel zurück und wurde kreidebleich, und das Herz begann ihm so heftig zu schlagen, daß es seine Brust zu zersprengen drohte. Sie blieben allein.