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Die Westmächte und die ägyptische Krisis.
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Die Westmächte und die ägyptische Krisis.

Staatsmänner können nicht ohne Grund behaupten, daß England kein Recht habe, seinen Einfluß in Kairo zur Schädigung der Interessen Frankreichs in Nordafrika zn benutzen. Der Mcchdi ist, weil seine Macht sich auf die Religion gründet, eine ernste Gefahr für Tunis. Vou jeder Befürchtuug eines Angriffs vvnseiten Ägyptens befreit, kaun er oder ein Nachahmer feines Auftretens die neue Provinz für die Franzosen recht unbequem machen, und diese könnten dann sagen:Wenn ihr Engländer den Ägyptern erlaubt hättet, den fälschen Propheten niederzuwerfen, so würde uns diese Gefahr und diese Ausgabe erspart geblieben sein." Auch die Pforte muß mit starken Befürchtungen auf den nun unbehelligt bleibenden Mcchdi blicken. England will eine vttomauische Ein­mischung auf ottomcmische Kosten gestatten, aber der Sultan kaun hiergegen geltend machen, daß, wenn sein Vasall im Sudan sich nach Englands Willen zurückziehen muß, der Islam dort mit auf den Rücken gebundener rechter Hand kämpfen wird. Die türkischen Politiker können behaupten, das sei nur ein neues Glied iu der Kette christlicher uud besonders englischer Manöver, deren Ägypten alle seine jetzigen Plagen verdanke. Es waren die Westmächte, welche die Pforte zwangen, Ismail abzusetzen, eiuen starken Herrscher, der Arabi und den Mcchdi unschädlich gemacht hätte, ehe sie gefährlich geworden wären. England trat der Türkei drohend entgegen, als der Sultan Arabi einzuschränken ver­suchte. Lord Dufferin wollte 1882 keinen türkischen Soldaten in Ägypten landen lassen, bevor nicht die englischen Bedingungen angenommen seien. Hätte man den Einfluß des Kalifen vou Anfang an Ägypten und den Sudan durch- dringen lassen, so hätte mau Ismail nicht abzusetzen brauchen, Arabi würde sich nicht empört haben, und der Mcchdi wäre mühelos niedergeschlagen worden. Diese Anschauung der Türken ist wahr, wenn anch nicht die ganze Wahrheit. England entschloß sich aus Gründen, die in der Hauptsache auf Gladstoncs Vorurteil gegen die Pforte hinausliefen, Ägypten nicht zu erlauben, wieder türkische Provinz zu werden. Seine Weigerung gegenüber der Absicht des Sultans, Ägypten zu retten, schließt Pflichten ein. Nachdem es der Pforte den Weg vertreten, muß es die Verantwortlichkeit selbst übernehmen und Ägypten schützen, das es so eifersüchtig sich selbst gewahrt hat. Und die Schwierigkeiten für die Pforte haben hiermit noch kein Ende. Abgesehen davon, daß es an dem für einen Feldzug nach dem Sudan erforderlichen Gelde fehlt, erhebt sich die Frage, ob Frankreich ein solches Umsichgreifen der Türken in diesem Teile Afrikas dnlden würde. Seit 1840 war es dessen Bestreben, den Sultan, den Kalifen von allen durch ihre geographische Lage oder durch die Religion mit Algerien verknüpften Ländern fernzuhalten, und die halbe Unabhängigkeit Ägyptens war ursprünglich eine Pariser Erfindung. Würde Frankreich es gern sehen, wenn die Türkei jetzt einen Teil ihrer früheren Gewalt über das Nil­thal wiedererlangte?