Beitrag 
Staatsanwalt und Fortschritt.
Seite
643
Einzelbild herunterladen
 

Staatscmwcilt und Fortschritt,

043

kulturellen" Förderung unsers Volkes in ihrem Organ sich selbst loben, schließt derBeobachter" mit folgender Apostrophe an die Negierung:

Wir fragen die Vertreter der Regierung selber, ob sie gemeint sind, derartige Angriffe und Hetzereien gegen politische Gegner in ihrem Organ zu dulden und zu verantworten? Ob sie im Ernst glauben, die Schwächen uud Mängel unsrer Gesetzgebung, an deren Kritik unabhängige, sachverständige Männer es auch fernerhin nicht werdcu fehlen lassen, mit solchen Mitteln vor den Angen des Volkes verdecken zn können? und ob sie nicht fühlen, daß das offizielle Attentat, die Überzeugung uud die moralische Ehre des politischen Gegners mit den Bleihämmern der Lüge und Verleumdung niederzuschlagen, vor dem Richterstuhl der sittlichen Wcltordnung kaum, weniger verdainmnngswürdig erscheint, als jener andre Frevel vor den Schranken eines weltlichen Gerichtshofes?

Der Brustton der Überzeugung, mit welchem die tiefernstekulturelle" Mission des Demokraten betont nnd der Richterstuhl der sittlichen Weltordnung von ihm augerufen wird, wenn man ihm einmal eine unbequeme Wahrheit sagt, ist ja nun ein bekanntes Mittel desselben, wenn es auch nicht immer in der Stärke der vorliegenden Leistung angewendet wird, um seine Gegner,zu ver­blüffen; es ist aber zu hoffen, daß dieses Mittel durch den lange andauernden Gebranch an seiner Wirksamkeit auch auf den weniger urteilsfähigen Teil der Leser und Hörer nach uud mich verloren hat, nnd daß auch dieser den dem Liberalismus gemachten Vvrwurf sich einmal des Nähern besieht. Daß aber dieser Vvrwurf durchaus begründet ist, daß mit andern Wvrten allerdings die Tendenzen des Liberalismus zu einer Erschwerung der Verfolgung der Ver­brecher überhaupt und damit auch der Verfolgnng der Mörder führen, das ist eine Thatsache, welche derselbe nicht ablengnen kann, sv unbequem ihm mich diese Konsequenz sein mag, wenn Fülle wie der Stuttgarter Raubmord auch dem größern Publikum einmal wieder recht drastisch znm Bewnßtsein bringen, wohin es führen muß, wenn die Befugnisse der mit der Sicherheitshandhabnng betrauten Staats­behörden systematisch geschwächt und vermindert werden. Dieses Ziel verfolgt die Demokratie mit allen Mitteln und in allen Richtungen, und der sittlich ent­rüstete StuttgarterBeobachter" ist es, welcher gerade um die Zeit des daselbst verübten Raubmvrdes eine Anzahl Artikel ans deinRechtsstaat, Korrespon­denz zur Aufklärung der Mängel der deutschen Rechtspflege" unter vollständiger Billigung des Inhalts als seinen eigenen Ansichten durchaus entsprechend ab­gedruckt hat, die sämtlich den Zweck haben, die Rechte und Befugnisse der Staats­anwaltschaft, der hauptsächlich zur Verfolgung der Verbreche» berufenen Behörde, beziehungsweise der Gerichte, einzuschränken und zu vermindern. Die betreffende» Erörterungen werden damit eingeleitet, daß neben einer Anzahl von Bestim­mungen der Strafprozeßordnung, welche die Stellung des Angekagten ohne zwingende Notwendigkeit verschlechtern nnd daher dem Rcchtsbegriffe und Rcchts- zwccke widerspreche», als einer der schwersten Schäden unsrer Strafrechts-