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Notizen.
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Notizen.

Jahrzehnte! Mau erscheint auf der Bühne Kostümstncke ausgenommen gewöhn­lich so, wie es das Modcjonrnal von gestern vorschreibt. Dazu gehören bei den Herren iu der Regel Lackschuhe, selbst danu, wenn die Verhältnisse der betreffenden Figur einen derartigen Lnxus kaum gestatten: ein Nvtenkopist, ein armer Schul­lehrer in Lackschuhen! An großen Theatern verzichten die Künstler doch schon teil­weise daranf, Abend für Abend ihr Haupt durch das Lockeueisen des Friseurs genialisircn zu lasseu, an kleinen Bühnen aber tritt Held, Liebhaber, Vater, Bon- vivant nnd Böscwicht grundsätzlich nur mitgebranntem Haar" auf.

Auch die Bnhncnmanieren widerstreiten in vielen Punkten der allgemeine» Sitte. Es giebt kaum einen Schauspieler, der in einer Gesellschaftsszeuc die Bühne ohne Hut betreten wird. Die Gründe für diese Anhänglichkeit an die Kopfbe­deckung sind zu erraten es ist ja so schwer, Arme und Hände zu beschäftigen aber bringt man denn im Leben in jeden Salon seinen Hut mit? An kleinen Bühnen ist es etwas ganz gewöhnliches, daß noch heute die Briefe gesiegelt werden, daß ganze Geldbörsen oder Brieftaschen verschenkt werden n. s. w.

In der Posse kommt die Vernunft überhaupt zu kurz. Das Widersinnigste ist aber doch das Kouplet. Das Publikum wundert sich nicht einmal, wenn ein im übrigen als höchst beschränkt charakterisirtcr Posscnheld plötzlich anfängt, in Koupletform Politische oder andere Ereignisse mit Witz und Laune zu persiflircn. Man findet das ganz logisch und natürlich.

Von Paris ging vor kurzem die Mahnung aus, bei der Juszenirung des Schauspiels mehr Naturwahrheit obwalten zu lassen, und an den ersten Bühnen der französischen Hauptstadt wird schon jetzt soweit es sich mit der Theatertechuik uud der Thcaterökonomie verträgt viel eifriger das Leben und die Welt als ^ das Bühnenherkommen berücksichtigt. Sollten sich unsre Theater nicht entschließen, dem Beispiel nachzustreben?

Berlin. Paul von Schönthan.

Znr Fremdwörterseuche. Viel und oft ist schon über die verkehrte und sinnwidrige Anwendung von Fremdwörtern gewitzelt und gespottet worden, aber wenig oder garnicht ist dabei eine Gattung von Anwendungen berücksichtigt worden, diejenige uämlich, wo das Fremdwort neben ein deutsches von der gleichen Bedeutung gestellt wird. Die Gewohnheit, fremde Ausdrücke zu gebrauchen, ver­leitet unmerklich zur Gedankenlosigkeit, ja nicht selten zur vollen Verdrehung ur­sprünglicher Begriffe. Ich will nur an das WortEtage" erinnern, das in einigen Städten vollständig den Begriff derWohnung" cmgcnommeu hat, sodaß die Leute von mehrerenEtagen" sprechen, die in einem und demselben Stockwerke liegen. Mangel an Bewußtsein des richtigen Begriffes, Mangel an Nachdenken verschuldet allein solche verkehrte und geschmacklose Ausdrucksweise. Besonders und oft macht sie sich geltend bei der gedachten unmittelbaren Znsammenstellung eines fremden mit dem gleichbedeutenden deutschen Worte. Die Widersinnigkeit solcher Wort- oder Satzbildungen springt sogleich in die Augen, weun man jene fremden Ausdrücke verdeutscht. Ich will ein Paar Beispiele anführen.*)

*) Schon Rudolf Hildebrand hat iu seincni prächtigen BucheVom deutschen Sprach- unterricht und von deutscher Erziehung und Bildung überhaupt" im Frcmdwörterknpitcl ans denGncrillakricg," dieAttentalsversuche," dastreibende AgcnS," diereitende Kavallerie" und ähnliche Albernheiten hingewiesen. D. Red.