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Zum Lutherfeste.
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Zum Lutherfeste.

Keine Institution war an diesen Zustände» so sehr schuld als die päpst­liche Hierarchie, welche alle Verhältnisse des Volkslebens durchdrang und ängst­lich von einer gesunden Entwicklung zurückhielt, Es lebten damals zwei Völker in Deutschland, das Volk der Arbeitenden und das der Essenden, die Laien und der Klerus, die erstem beherrscht und ausgesogen von dem letztern durch ein geist­liches Steuersystem von raffinirtcr Durchbildung, Der Papst verkaufte die Bis­tümer au die Bischöfe, diese wiederum brachten die vielen tansende von Gold- gülden, welche das Pallium kostete, durch Ablässe auf; dazu verkauften auch sie die fette» Pfründe» an den Meistbietenden. Das Recht, Pfründen zu fressen, d. h. zu kumuliren> kostete soundsoviel, das Recht der Absenz von seinem Amte so viel, das Recht, illegitime Frauen zu haben so viel es hatte alles seineu Preis. In einem Spiel von Niklaus Manuel sagt eine Pfarrköchiu:Als ich noch im Fraueiihause zu Straßburg war, habe ich meinem Wirte nicht soviel zahlen müsse», als nun dem Bischöfe."

Die Klöster wuchsen wie Pilze ans der Erde, fromme Fürsten und Herren wnrden eisrig angehalten, durch Gründung oder Bereicherung eines Klosters für ihr Seeleuheil zu sorgen. Das Laufende mußte der Bauer schaffen, über den die Schaar der terminirenden Mönche herfiel wie die Heuschrecken, und der es dulden mußte, daß sie sich ihm ins warme Nest setzten nnd fütteru ließe». Dafür erhielt er soundsoviel Jahre Erlaß des Fegefeuers. Da aber dies Feuer von unbegrenzter Dauer war, so war das Geschäft, das er gemacht, nur ein scheinbares. Es gab fortwährend Wachs zu schenken, Bilder zu malen, Fenster zu stifte», Altäre zu schmücken, Kirchen, Kapellen und Thürme zu bauen. Die Kunst des ausgehenden Mittelalters verdankt ihre Blüte zum großen Teile dieser Kunst der katholischen Kirche, den guten Thaten ihrer Glieder die Gestalt von Stiftungen und Spenden zu geben. Aber im ganzen und großen erwies sich ihre Praxis als eine wahre Landeskalamität. So faßten es auch die National- ökvnvmen jeuer Zeit auf und stellten es in ihren Gutachten ihren Kaisern und Obrigkeiten dar.

Aber schlimmer cito dies war die Beschwerung der Gewissen. Man sah, daß mit der Gewissensangst des Volkes, die mit allen Mitteln wachgerufen nnd wacherhaltc» wurde, Geld verdient wurde, man fühlte, daß alle die Viel­geschäftigkeit der Gaben, Stiftungen nnd Wallfahrten der nach Frieden suchenden Seele nicht Genüge thuu konnte, man suchte nach Besserem, Gehaltvollerem, aber die Kirche legte die Hand darauf uud nahm für sich allein die Vermittelnng der religiösen Erkenntnis in Anspruch. Es wurde viel gepredigt, auch vor Luthers Zeit, aber was? Geistloses, skurriles Zeug auf der einen Seite, ans der andern eine Vergötterung Maria, die mehr heidnisch als christlich war. Das Volk war Zeuge des Jetzerschen Handels in Bern im Jahre 1507, der Skandale i» Augsburg, des heillosen Zustandes der Klöster und Domstifte, und sollte um seines Gewissens und der ewigen Seligkeit halben diese Kirche als die allein seligmachende und allein mögliche anerkennen.