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Notiz.

gatorisch" zu machen, oder um dieSchulhygieine" zu verbessern, diegänzlich vernachlässigte Körperpflege" der Jugeud zu heben u. s, w. Man möchte wirklich glauben, daß alle Projekten- und Propagandamacher, wenn sie mit ihren Beglückungs- thevrien nirgends anders ankommen, schließlich allemal dahin gelangen, wohin der Ncmmburger Rat gelangte, als die Hussiten vor der Stadt lagen:Er verful endlich auf die Kinder."

Aber alle die zahllosen Reformatoren unsrer Pädagogik haben es in der Regel unr auf eines von vier Dingen abgesehen: 1. gesunder Körper, 2. geübter Blick und geschickte Hand, 3. Verstand, 4. Kenntnisse, viel Kenntnisse, mit jedem Jahre mehr Kenntnisse. Beinahe gänzlich ignorirt aber werden dabei verschiedne andre Dinge, die uns doch nicht minder wichtig scheinen, nämlich: gute Sitte, Sinn sür Ordnung und Schönheit, Sparsamkeit, Schonung und ähnliches ganz zu schweige» von der eigentlichen Charakterbildung. So herrlich weit wir es auch in andern Beziehungen gebracht haben, in diesen Beziehungen bleiben wir immer mehr zurück, und in erschreckender Weise mehrt sich gegenwärtig die Zahl der unerzogenen Erwachsenen.

Anstatt der Fragen, die der Leipziger Aufruf an die Jungen richtet: Wieviele von euch können einen Nagel gerade in die Wand schlagen u. s. w., könnten wir eine große Reihe andrer Fragen an die Jugend richten, die auch scheinbar lauter Kleinigkeiten betreffen, aber vielleicht wichtiger sind als alle die angeführten. Z. B.: Wieviele von euch wisfen, daß man bei einem Vortrag in öffentlicher Versammlung (Predigt, Musikaufführung, Theater) schlechterdings den Mund zu halte» hat? Wie­viele von euch wissen, wie man beim Betrachten ein Bild und beim Lesen ein Buch ^ anfaßt und wie man die Blätter eines Buches umwendet? Wieviele von euch wissen, daß es anständig ist, eine Thür, die man beim Durchgehen geschlossen gefunden hat, auch wieder zu schließen? Wieviele von euch wissen, wo man eine Thür angreift nnd wie man sie zumacht? Wieviele von euch wissen, wie man einen Stock oder Schirm auf der Straße trägt, und daß man einen nassen Schirm nicht mit ins Zimmer bringt? Wieviele von euch wissen, wozu Strohteller vor den Thüren liegen? Wieviele von euch Nüssen, daß man Papierstücken, die man lossein will, nicht auf die Straße oder den ersten besten Rasenplatz wirft? Sind das nicht alles Dinge, deren Unkenntnis nnd Vernachlässigung von seiten unerzogener Erwachsenen ein erzogener Mensch täglich und aller Orten zu seinem Verdruß beobachten muß?

Aber, wird man einwenden, für diesen Teil der Erziehung hat das Haus, die Familie, nicht die Schule zu sorgen. Gewiß, wenn wir das auch nicht so einseitig hinstellen möchten. Etwas mehr, als es geschieht, könnte auch die Schule der eigeutlichen Erziehung sich annehmen. Aber wie soll das Hans seine Aufgabe erfüllen, wenn die Kinder fast nur noch nach Hause kommen, um zu essen und zu schlafen? Im Sommer werden sie auf die obligatorischen Spielplätze genötigt, und nun sollen sie auch noch im Winter in die Schülerwerkstätten laufen!Wenn die Schularbeiten fertig sind und das Hans keine Ansprüche an euch macht" sagt der Aufruf. Diese Ansprüche macht aber eben das Haus, mnß ein verständiges Haus macheu, wenn die Jungen erzogen werden sollen.

Also, ihr Herren Reformatoren der Pädagogik, denkt auch ein bischen an die Aufgaben der Erziehung und wollt nicht alle Pädagogische Thätigkeitverstaat­lichen." Laßt die Kinder wenigstens ein Paar Stunden der Woche dem Hause und den Eltern! Sich beim Einschlagen eines Nagels auf die Finger zu klopfen, das gewöhnen sie sich schon von selb er ab.

Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gt'unow in Leipzig. Vnlag von F. L. Herbig in Leipzig. Druck von Carl Marquart in Rcudnitz-Leipzig.