Notiz.
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Was würde mit euch geworden sei», wenn ihr an Robinsons Stelle gewesen wäret? Ihr würdet vielleicht elendiglich verkommen sein.
Das sollte nicht so bleiben. Sind die Schularbeiten fertig uud macht die Familie keinen Anspruch au ihu, so geht der rechte Junge im Sommer auf den Spielplatz und ins Schwimmbad, im Wiuter auf die Eisbahn und an den Werktisch. Möge er sich hier nach langem Sitzen über den Büchern an der Hobelbank tüchtig ausarbeiten, oder möge er die Freude am Schönen, die der Zeichenunterricht in ihm geweckt hat, beim Modelliren oder Holzschnitzen weiter Pflegen, möge er sich für seine einfachen physikalischen Experimente Apparate bnnen, oder für die Lieben daheim kleine, sinnige Gaben schaffen, immer wird es ihm eine wahre Herzenslust seiu, wenn dranßen das Winterwetter tobt und die Abende lang werden, in fröhlicher Gemeinschaft mit andern hier in der traulichen Werkstatt emsig zu schaffen. Und solche Freude haben seit drei Jahren schon Hunderte von Knaben bei uns gefunden.
Wem es daher zu Haus an gutem Werkzeug und nn gehörigem Raum zum Hcmtircn, an Arbeitsmaterial und der nötigen Anweisung fehlt, der gebe seinen Eltern ein herzlich gutes Wort und bitte sie um die Erlaubnis, die Schülerwerkstatt in der alteu Thomasschule besuchen zu dürfen. Der Beitrag zu den Kosten, der gezahlt werden muß, ist nicht hoch, nnd arme Schüler erhalten Freistellen. Keiner, der sich gut beträgt und deu rechten Willen hat, sein Bestes zn leisten, wird ausgeschlossen. Die aber, welche von vornherein die neue Sache mit Eifer ergreifen, nach ein paar Wochen jedoch, wenn die Arbeiten schwieriger werden, vielleicht wegen Zahnschmerzen zu fehlen anfangen, brcmcheu nicht erst zu kommen.
Schiller sagt im Wilhelm Tell: „Ein rechter Schütze hilft sich selbst," uud weiter: „Früh übt sich, was ein Meister werden will"; darum, ihr Fuugeu, nützet die Gelegenheit, die euch geboten wird.
Der Vorstand der Schülerwerkstatt.
Dieser Aufruf erregt vor allen Dingen nin seiner nngewöhnlichen Form Nullen Interesse und .— Beifall. Er ist ein kleines Meisterstück echt kindlicher Beredtsamkeit. Vergleicht man mit ihm die lahmen Ansprachen, die so oft bei Schulfeierlichkeite» (sogenannten „Mus") oder bei Kinderfesten — sei es im Sommer auf Spielplätzen oder im Wiuter bei Christbescheerungen — au die liebe Jugeud gerichtet werden, Ansprachen, die in der Regel zu neuu Zehnteln ans das hochverehrte umstehende erwachsene Publikum hinschielen, so muß man sagen: Hier ist einmal echter Kinderton, das werden die Jungen ohne Ausnahme kapireu.
Aber gerade, weil dieser Aufruf mit fo außerordentlichem Geschick verfaßt ist, und weil er voraussichtlich eine dem entsprechende Wirkung haben wird (ist bereits geschehen; die Räume der genannten Schule haben sich als unzulänglich erwiesen, uud viele Knaben haben müssen abgewiesen werden. D. Red.), möchten wir ihm gegenüber mit einigen Bedenken nicht zurückhalten.
Wir bezweifeln nicht, daß die Begründer der Leipziger Schülerwerkstatt von den besten Absichten beseelt gewesen sind. Aber wir bezweifeln sehr, daß gerade Schülerwerkstätten zu den Nächstliegenden und dringlichsten Aufgabeu der heutigen Pädagogik gehören.
Für nichts wird ja gegenwärtig so viel Propaganda gemacht wie für Neuerungen im Unterricht und in der Erziehung. Noch sind die Klagen über die leidige Überbürdung nicht verstummt, und schon bieten wieder in pädagogischen und andern Zeitschriften Schul- und Jngendbeglücker von allen Seiten ihre Dienste an, um den oder jenen Unterrichtszweig auf der oder jener Stufe zu „reformiren," oder um uene Unterrichtszweige, die bisher fehlte» oder nur fakultativ im Unterrichtsplan vertreten waren, als „unerläßlich für die allgemeine Bildung" hinzustellen und „vbli-