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Francesca von Rimini : Novelle :
(Fortsetzung.)
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Francesca von Rimini.

Novelle von Adam von Festenberg. (Fortsetzung.)

iedcr fiel Oswalds Auge auf den Tag des Zorns, den äiss irg,o. Ja fürwahr, an Strafe sollte er denken, an die Strafe für die Ruchlosigkeit, mit der sie ihn umgarnte, mit der sie ihn an ihren Triumphwagen spannte, um ihn desto schnöder wieder zurück- zupeitschen. Welche Genugthuung schafft der rächende Richter

den Mühseligen und Bcladenen, den Märtyrern, welche ihm ihre Wnndenmale zeigen? Der Schuld muß Strafe folgen, das ist der kategorische Imperativ und das Fundament der Weltordnung.

Aber der Zorn behält nicht lange seine Kraft. Nicht ohne Grund hat Michel Angelo in dem zürnenden Weltrichter den jugendlichen Gott dargestellt. Die Jugend flammt auf, ihr Zorn ist mächtig, aber er geht vorüber und macht milderen Gefühlen Platz. Für ein krankes Herz ist der Zorn keine Genng- thuung, es fühlt sich nur Wohl in dem Bewußtsein des unendlichen Schmerzes, ihm muß er eine unvergängliche Stätte bereiten, in ihn muß er sich versenken, er soll sein Begleiter am Tage, sein Gedanke und sein Träumen bei Nacht sein.

Oswald erhob sich vom Lager uud maß mit unruhigen Schritten sein Zimmer. In leuchtenden Farben glänzte ihm Guido Renis Aurora entgegen. Gepriesen der, dem so golden die Morgenröte des Lcbeits entgegenglüht, dem die Stunden des Tages heitern Glanz bereiten, dem lässig der Gott einen neuen schönen Tag entgegenbringt! Für ihn war keine Morgenröte mehr zu hoffen, tiefes Dunkel hatte sich über seine Seele gelagert. Bald war es ihm, als ob er nichts mehr empfinde, bald wieder mahnte ihn die beschwerte, stechende Brust an das, was er erhofft und, dem Ziele nahe, für immer verloren hatte. Wie fühlte er die Trauer nach, welche ihn aus den Augen der schmerzens­reichen Mutter Gottes in sein Herz traf! So trauert nicht die Mutter um den zu früh dahingerafften, unschuldigen und göttlichen Sohn; so trauert die