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Francesca von Rimini.
offen ließen die Offiziere es sich an der reich besetzten Tafel Genöves recht gut schmecken und verkehrten mit den Damen des Hauses in einer ungezwungenen Weise. Wenn sie unter sich waren, wurden dagegen alle Schwächen der Emporkömmlinge schonungslos bloßgelegt. Frau Genöve glaubte sich auf dem Gipfel ihres Strebens; endlich war sie mitten in dem aristokratischen Verkehr, endlich war die Aussicht, ihre Tochter mit einer freihcrrlichen Krone geschmückt zu sehen, näher getreten. Sie machte auch Margarethe gegenüber kein Hehl von ihren Hoffnungen, und obwohl diese dergleichen Reden zuerst mit Unwillen zu hören schien, allmählich ließ sie sich diese gefallen, ja sie stimmte selbst zuweilen in das Lob des einen oder andern Offiziers ein und fand, daß es sich in ihren Kreisen recht angenehm lebe.
Auf Großheims Zureden hatte auch Oswald mehrere Wochen Stillschweigen beobachtet und versprochen, weitere Schritte erst dann unternehmen zu wollen, wenn die Familie Gensve nach Berlin zurückgekehrt sein würde. Als diese Rückkehr stattgefunden hatte, machte er mehrfache Besuche bei Genöves, wurde aber immer mit dem Vorgebe», daß die Herrschaft abwesend sei, von den Dienern zurückgewiesen. Oswald hatte offenbare Beweise, daß diese Abweisungen beabsichtigte Ausflüchte waren, er wurde immer unruhiger und begann allmählich auch an Margarethens Gesinnung zu zweifeln, sodaß er endlich beschloß, ihr einen Brief zu schreiben, in welchem er ihr die Qualen feines Seeleuzustaudes schilderte, sie au ihre ermutigende Äußerung erinnerte und sie beschwor, ihm dnrch eine versichernde Antwort ein Zeichen ihrer sortdanernden Liebe zu geben. Mit vieler List hatte er es verstanden, den Brief durch einen Diener in Margarethens Hände zu spielen. Oswald war an der Grenze des Harrens angelangt; wie ein zum Tode Verurteilter, welcher der Bestätigung des Urteils oder der Begnadigung entgegensieht, wollte er lieber die vernichtende Gewißheit als den mit langsamer Todesqual verbundenen Zweifel. Margarethens Antwort war ein Gemisch von Liebe und Zurückweisung, von Hingebung und Abwendung. Der Hauptinhalt aber war, daß sie den Widerstand der Eltern nicht würde überwinden und ohne deren Einwilligung nicht würde heiraten können. Nachdem sie die Antwort an Oswald abgeschickt hatte, machte sie ihren Eltern von derselben und dem Briefe Mitteilung. Die Eltern zeigten sich über diese neue hinter ihrem Rücken gespielte Intrigue empört. Sie ergriffen aber gleichzeitig die Gelegenheit, der Tochter zum erstenmale die uneheliche Geburt Oswalds vorzustellen und fragten sie, ob sie ihrer Mutter zumuten könnte, eine Person wie Hedwig als nahe Verwandte aufzunehmen. Ware Oswald ein offener und ehrlicher Charakter, so hätte er dem Mädchen von seiner Geburt bei seiner Werbung Kenntnis geben müssen, sein Schweigen über diesen so wichtigen Gegenstand — so argumentirte Frau Bertha — sei aber der gröbste Betrug, und er sei nur darauf bedacht gewesen, Margarethe in sein Netz einzufangen, ehe ihr klar werden sollte, in welche Familie sie trete. Diesen Anschuldigungen gegen-