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Levin Schücking.
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189
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Levin Schücking.

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Wenn cr einen französischen Emigranten zu schildern hatte, versagte er sich Wendnngen wie etwa:Mit einer wunderbaren Geistesbeweglichkcit wußten sich diese Franzvseu in jede Lage zu finden; ohne ihrer Würde etwas zu vergeben, ließen sie sich zu jeder Arbeit herab, und ein solcher Marquis-StrolMstcheu- macher blieb eine ebenso vornehme und Achtung fordernde Gestalt, als er srüher gewesen, wo er noch nie mit anderm Stroh umgegangen als mit dem leeren allenfalls, das er damals gedroschen," eine Wendung Theodor Mnndts würdig, keineswegs; er schachtelt, wenn es den Grafen Vittorio Alfieri in seinen Roman einzuführen gilt, ohne jede poetische Form einen ganzen Auszug aus des Dichters Selbstbiographie ein, er verflicht eine Fülle von Reflexionen in seine Darstellung. Doch andrerseits wieder, wie vorteilhaft unterschied sich die JugendarbeitEin Schloß am Meer" von den Reiscnovellcn und Gedankensymphonien der damaligen Modeschriftsteller! Eine Fülle eigentümlichen Lebens, interessante Gestalten, mit denen die Phantasie des Knaben genährt war, eine romanhafte Erfindung, die jugendlich unreif heißen mochte, aber einer gewissen Natürlichkeit nicht entbehrte, sprachen für Schückings Begabung.

Wenige Jahre später erscheint diese Begabung gereift in dem Romane Der Bauerufürst" (1861). Ju gewissem Sinne blieb er die beste Schöpfung des Schriftstellers: eine so prächtig-kräftige, bedeutungsvolle und farbenreiche Exposition, wie sie der genannte Roman zeigt, hat keine andre Schückingsche Erzählung. Die Entwicklung und der Ausgang entsprechen der ersten Anlage nicht ganz, doch offenbart sich das eigentümliche Streben Schückings, den histo­rischen Roman ganz in einen Phantasieroman umzuwandeln, hier in der ge­winnendsten Weise. Er zeichnet den Hintergrund mit wenigen charakteristischen Strichen, versetzt den Leser sehr rasch auf das Terrain, auf welchem seine Er­findungen spielen, nimmt aber die Hauptteilnahme niemals für die Zustäude, sondern immer für die Menschengestalten und ihre besondern romanhaften Schick­sale in Anspruch. Gerade derBauernfürst" ist es, der uns eine gewisse Leichtig­keit des Schückingschen Talents, ein Verschwenden gleichsam der originellen Anschauungen, die der Autor besaß, beklagen läßt. Die Erfindung dieses Romans hätte ciue sorgfältigere Ausführung jedenfalls verdient.

Auch der nächste RomanEin Staatsgeheimnis" (1854) stellt wieder auf historischem Hintergründe ein eigentümliches Abenteuer dar. Der Schauplatz sind die linksrheinischen Lande, die Zeit die letzten Jahre von Bonapartes Kon­sulat, iu der alle Welt jeden Tag erwartet, daß der erste Konsul sich zum Kaiser aufwerfen wird, das Ganze selbst ist die sehr glänzende und geistig belebte Ausführung jener Abenteuer, welche der angeblich aus dem Temple gerettete, am Leben gebliebene Dauphin von Frankreich (der Uhrmacher K. W- Naundorf) als seinen Lebensroman erzählte. Sowie man die Berichte des angeblichen Ludwigs XVII. als wahr betrachtet (und das scheint unser Autor allen Ernstes gethan zu haben), ergiebt sich gleichsam von selbst eine spannende Verwicklung,