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Militärische Kritikaster.
lediglich um thatsächliche Mitteilungen ohne jede Kritik. Das deutsche Publikum freut sich in allgemeiner Teilnahme der gelungenen Übungen, und der überwiegende Teil desselben weiß ganz genau, daß die innere Tüchtigkeit und Brauchbarkeit eiuer Truppe keineswegs von dem mehr oder minder günstigen Ausfall des Parademarsches abhängig ist. Der nicht zu unterschätzende Wert solcher vielfach angegriffenen und kurzer Hand als überflüssig und pedantisch verurteilten Paraden liegt mit so mancher, gern mit einer gewissen Geringschätzung als „Kommißdienst" und „Gamaschcnknopf" bezeichneten Thätigkeit des innern Dienstes auf einem völlig andern Gebiete, auf dem Gebiete der Disziplin. Unsre Leser werden sich noch der sogenannten „Stiefelparade" bei Straßburg vom Jahre 1879 erinnern. Der zum Paradefelde ausersehene und vorbereitete weite Platz war durch tage- langen Regen so aufgeweicht, daß Menschen und Pferde buchstäblich kaum vorwärts kommen konnten. Hunderte von Stiefeln blieben in dem fußtiefen Morast stecken, nnd außer zahlreichen barfuß marschirenden Soldaten hat der Schreiber dieser Zeilen mit eignen Augen gesehen, wie ein stiefclloser baierischer Offizier in roten Socken seine Truppe beim Kaiser vorbeiführte. Wird nun irgendeiner glauben, daß der Allerhöchste Kriegsherr von solchen Zufälligkeiten sein Urteil über die Kriegsbrauchbarkeit der Truppen abhängig mache? Gewiß nicht. Die Kaiserparade verfolgt den Zweck, dem höchsten Führer die ausgebildete Truppe in bester Verfassung vor Augeu zu führen, ohne daß aus einem durch irgendwelche Umstände herbeigeführten Miudererfolge ein Rückschluß auf die geringere innere Tüchtigkeit erlaubt wäre. Die Kniserparaoe giebt aber auch, uu>? dieser Umstand darf nicht gering angeschlagen werden, jährlich taufenden von jnngen Soldaten die ersehnte Gelegenheit, ihrem Feldherrn aus nächster Nähe einmal ins Auge zu sehen. Ähnlich verhält es sich mit den gesamten Herbstmanövern, von denen die Parade ja nur einen Tag umfaßt. Sie dienen hauptsächlich zur Übung der höhereu Kommandoführer und erst in zweiter Linie zur Beurteilung der Kriegsbrauchbarkeit der Truppe. Zahlreiche Besichtigungen in den kleinere» uud größeren Truppenverbänden haben den Gang der kriegsmüßigen Ausbildung im Laufe des Sommers überwacht und festgestellt. Während der Herbstmanöver nun tritt das Ergebnis dieser Ausbildung allerdings auch hervor, hauptsächlich aber gewinnt doch der einzelne Mann in Reih und Glied ein Bild des Krieges, lernt einen Teil der Mühen und Strapazen desselben kennen und übt sich beim Beziehen der Lagerstätte unter freiem Himmel in allerlei notwendigen Handfertigkeiten. Der Leitende aber richtet sein Augenmerk hauptsächlich darauf, ob die kommcmdirenden Offiziere der untergelegten kriegerischen Idee gemäß ihre Anordnungen zu treffen wissen, die verschiedenen Waffen nach ihrer Eigentümlichkeit in gehörige Wechselwirkung bringen, ob sie mit Zeit und Raum zu rechnen verstehen, ob sie überhaupt dem Berufe des Generals mit Ernst und Eifer eutgegenstteben. Selbst der Kaiser, der seine Meinung über den allgemeinen Zustaud, iu welchem er ein Korps gefunden,