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Firniß, Wie man zart und fein modelliren und malen kann, ohne sich dabei von der Natnr zu entfernen, beweist ein Porträt von Knaus, das Bildniß seiner Frau, Die Dame ist etwa in halber Lebensgröße, nicht ganz bis zu den Fußspitzen dargestellt, was ein so geschmack- und einsichtsvoller Künstler wie Knaus uicht für nötig hält, da er nicht Quadratmeter vvu Leinwand braucht, um seine außerordentliche malerische Fähigkeit zu entfalten. Die Dargestellte in einfachem schwarzen Kleide, welches nur durch eine rote Blume belebt ist, sitzt auf einem braunen Ledersessel, der sich von einem dunkelgrünen Fond abhebt. Das ist alles. Aber mit welcher genialen Kraft ist das geistige Leben erfaßt und auf dem kleinen Raume der Gesichtsfläche zum Ausdruck gebracht! Wie tritt die Hand ergänzend hinzu, um die Charakteristik zu vervollständigen! Welche Beobachtung der Natur in allen Einzelnheiten, z. B. in der Stellung der Pupillen, welche die Kurzsichtige erkennen lassen! Und welche souveräne Meisterschaft in der Beherrschung der technischen Mittel, die mit einer so erstaunlichen Leichtigkeit gehandhabt sind, daß trotz subtilster Durchführung von miniaturenartiger Feinheit nirgends das Machwerk zu Tage tritt und die Hand des Künstlers störend vor die objektive Erscheinung schiebt! Ebenbürtig diesem Meisterwerke, wenn auch mit Hilfe andrer technischen Prozeduren erreicht, sind das Porträt eines jungen Mannes von Bokelmann, ebenfalls in kleinem Maßstabe ausgeführt und mehr genreartig, aber nngemein flott und geistvoll behandelt, keck angefaßt und von glücklichster Inspiration ein- gegeben, und das lebensgroße Bildnis einer Dame in schwarzem Atlnstleide von Ferdinand Keller in Karlsruhe. Der letztere hat, ohne dabei den geistigen Ausdruck zu beeinträchtigen, sich die Lösung eines malerischen Problems zur Ausgabe gestellt und sein Ziel in der vollkommensten Weise erreicht. Das schwarze Kleid ist mit schwarzen Spitzen und Perlen besetzt. Schwarz ist der große Federhut und schwarz sind die Handschuhe, vou denen der eine bereits die Hand bedeckt, während die bloße Linke in ihrer blendenden Weiße einerseits durch das umgebende Schwarz gehoben wird, andrerseits selbst die schwarzen Massen teilt uud in Bewegung bringt. Aus dem bräunlichen Helldunkel des Hintergrundes löst sich ein Treppengeländer von schwarzem Schmiedeeisen, uud rechts vom Beschauer blickt ein prächtig gemalter großer, branner, langhaariger Hnnd zu seiner Herrin empor. Innerhalb von Schwarz, Braun und Grau ist eine bewunderungswürdige Mannigfaltigkeit der Töne erreicht, die Velasquez und van Dyck nicht besser zu Stande gebracht haben. Aber das darf man bei Leibe nicht laut werden lasten, weil es unter den Ästhetikern, Kunstphilosophen und Kunsthistorikern eine ausgemachte Sache ist. daß die besten modernen Künstler den schlechtesten alten nicht das Wasser reichen können.
Berlin. Adolf Rosenberg.