Beitrag 
Die große Kunstausstellung in Berlin. 1.
Seite
403
Einzelbild herunterladen
 

Die große Aunswusstellung in Berlin.

403

daß die Kunsthändler, welche große Arbeiten von ihnen in ihren Händen haben, dieselben für die Dauer der Ausstellung freigäben. Auf der diesjährigen Aus­stellung suchen wir vergebens nach einem Meisterwerke von bedeutendem Inhalt, von idealem Schwung und von großartiger Ausdrucksweise. Wir hätten es, wenn Peter Janssen, der Düsseldorfer Meister, sein großes GemäldeDie Kindheit des Bacchus," in welchem er den ganzen Umfang seines Könnens, den Reichtum seiuer Phantasie und die Fülle seiner Gestaltungskraft zusammengefaßt, nicht bei dem Kunsthändler, seinem Auftraggeber, sondern im Polytechnikum ausgestellt hätte. Aber er und viele andre tragen mit Recht Bedenken, Werke von ernster Bedeutung nnter bunter Jahrmarktswaare aufzustellen, welche der Zufall zusammengeführt hat.

Der Staat hat den akademischen Kunstausstellungen in Berlin, auch ohne daß er die direkte Leitung derselben in den Händen hat, immer sein Wohlwollen bewiesen. So Hut er in diesem Jahre den Neubau der technischen Hochschule in Charlottenburg, die letzte Monumentalschöpfung Hitzigs, zur Verfügung ge­stellt, weil der Holzbau, der seit 1875 den Ausstellungen diente, seit dem Brande der Ausstellung für Hygiene und Rettnngswesen zu feuergefährlich erschien. In alle» innern Angelegenheiten läßt er den Akademikern uud der Jury, welche durch Wahleu aus dem Senat, den ordentlichen Mitgliedern der Akademie nnd dem Verein Berliner Künstler zur Unterstützung seiner hilfsbedürftigen Mitglieder zusammengesetzt ist, freie Hand.

Der von Jahr zu Jahr zuuehmeude Rückgang der akademischen Kunst- ausstelluugeu macht es unzweifelhaft, daß diese Art der Verwaltung nicht mehr zweckmäßig ist. Wer sich gern durch Zahlen überzeuge» läßt, dem genüge die Thatsache, daß die diesjährige Ausstellung etwa 170 Nummern weniger umfaßt als die vorige, 978 gegen 1118, wobei zu betonen ist, daß sich das Durchschnittsuiveau auch hinsichtlich der Qualität erheblich gesenkt hat.

Groß war die Anzahl von Historienbildern auf den Berliner Ausstellungen niemals. Soweit war es jedoch noch niemals gekommen wie in diesem Jahre, wo nur ein einziges Bild vorhanden ist, welches auf jenen stolzen Namen An­spruch erheben kann, und dieses eine Bild ist von einem Fremden, von dem Böhmen Vacslav Brozik eingesendet worden. Daß die Historienbilder alten Stils mit der Zeit verschwinden, ist an und für sich kein Unglück. Denn es war ein Irrtum der Schulästhetiker, der längst widerlegt ist, in dem historischen Gemälde die höchste Entwicklung der Malerei zu sehen. Aber wenn nur irgendwo Keime zu bemerken wären, welche uns die frohe Zuversicht gäben, daß an die Stelle des Veralteten etwas Neues, Lebenskräftiges treten, daß der große Stil m der Malerei nicht verschwinden wird, auch wenn er sich nicht mehr an den Ereignissen einer Vergangenheit erproben kann, welche unserm Herzen völlig fremd ist. Nichts dergleichen. Wohin man blickt wwla rssa!