Pompejanische Spaziergänge.
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Dieses System der Dekoration findet seine Erklärung eben nur in der Gewöhn-- heit und Geschmacksrichtung der alexandrinischen Zeit. Aber den Luxus, kostbare Tafelbilder an den Wänden aufzuhängen, mußte man teuer bezahlen; nicht jeder konnte sich so kostspielige Neigungen gestatten. Man mußte ein König von Ägypten oder Syrien oder allermindestens ein mächtiger Minister oder gefürchteter Feldherr sein, man mußte die Völker lange bedrückt und ausgesogen und die Nachbarländer gewissenlos geplündert haben, um sich so ungeheure Säle erbauen zu können, wie die Geschichtschreiber sie mit Bewunderung schildern: ruhend auf hundert Pfeilern oder hundert Säulen aus Marmor, mit wunderbaren Statuen vor den Säulen und Tafelbildern von Meisterhand in den Zwischenräumen. Die Bürger stellten sich dies billiger her; auf ihre Wäude ließen sie sich in Fresko*) falsche Pfeiler malen, welche falsche Tafelbilder umrahmten, und dann empfanden sie in ihrem kleinen Hause beim Anschauen der Mauern ihres Säulenhofes unzweifelhaft ein Vergnügen, nicht unähnlich dem der Könige oder der Großen, wenn diese in ihren Palästen mitten unter Meisterwerken lustwandelten. Die Freskomalerei war also für kleine Leute ein ökonomisches Mittel, das Beispiel der Reichen nachzuahmen. Da sie eine schnelle Ausführung verlangt und da man es hier mit UnVollkommenheiten im Detail nicht fo genau nimmt, so benutzten sie die Künstler, um schneller zu arbeiten; sie konnten wohlfeiler produziren, und so wurde aus der Kunst eine Industrie. „Die Kühnheit der Ägypter, sagt Petronius,**) erfand für diese so bedeutende Kunst (der Malerei) ein abgekürztes Verfahren," und diese Ansicht ist sehr wahrscheinlich. Denn es ist natürlich, daß man in demselben Lande, wo die Menschen beständig das erbitternde Schauspiel des Luxus der Großen vor Augen hatten, auch versucht hat, sich um einen geringern Preis einige ihrer Genüsse zu verschaffen. Die Ausbreitung dieses neuen Verfahrens, fügt Petro- nius hinzu, habe den Ruin der Malerei herbeigeführt. Auch dies ist leicht verständlich: die Armen, oder wenn man will die minder Wohlhabenden, hatten es erfunden, um das Beispiel, das ihnen die Reichen gaben, irgendwie nachzuahmen; es währte aber garnicht lange, und die Reichen entlehnten es ihrerseits den Armen. Da es mm die Freskomaler bald durch Übung zu einer ziemlich befriedigenden Ausführung brachten, so begnügte man sich schließlich mit den Kopien, die sie nach berühmten Staffeleibildern anfertigten, und die Originalmalerei fand keine Aufmunterung mehr. Daher der Zorn der Kritiker
*) Ich spreche hier und an andern Stellen vvn „Fresken," obgleich manche Gelehrten diese Bezeichnung für ganz unzutreffend erklären. Lotronne stellte es entschieden in Abrede, daß die antiken Gemälde wirkliche „Fresken" in dem Sinne wären, wie wir das Wort heute verstehen. Dagegen begründet Otto Donner in einer Helbigs „Wandgemälden" vor- gedrucktcn Abhandlung die Ansicht, daß die Malereien, welche die Städte Campaniens schmücken, größtenteils »1 trosoo ausgeführt sind.
**) Petronius, 2. ^.vMlMoruro Mäsciu. taw m^nag «.rtis oomxuuäiari^m ilrvvvit. Grenzboten II. 1883. 43