Zum musikalischen Konversationslexikon.
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dem Klavierspiel, in München unter Winter der dramatischen Komposition und dem Gesangunterricht zugewandt. Schließlich hatte Schicht während seiner letzten Krankheit ihn aufgefordert, von München nach Leipzig zn kommen und seine Stelle zu vertreten. „Seinem Gebote — schreibt er —, das er mir leider erst so spät kommen ließ, sogleich folgend, langte ich dennoch erst wenige Tage vor seinem Tode hier an, und hatte nur die Freude, ihm noch einmal mündlich meinen heißen Dank für seine Lehren sagen zu können."
Eine eigentümliche Bewandtnis hatte es mit Löwes Bewerbung. Löwe meldete sich nicht selbst, sondern sein Schwiegervater, der Staatsrat und Professor Dr. Ludwig Heinrich von Jakob in Halle, unternahm es, die Aufmerksamkeit des Leipziger Rates „auf ein Subjekt zu lenken, das bei näherer Prüfung vielleicht der Beachtung nicht unwert gefunden werden dürfte." Bescheidenheit halte Löwe ab, seine Wünsche unmittelbar auszusprechen; er werde jedoch seine Bitte selbst vortragen, sobald er „seiner Berücksichtigung gewiß sein" könne. Über den Lebensgang seines Schwiegersohnes teilte Jakob folgendes mit:
Derselbe ist jetzt gegen dreißig Jahre alt.*) Er fühlte von der frühesten Jugend an einen Beruf zur Musik, zeichnete sich schon als Chorschüler in Halle durch seinen Gesang und seine Anlagen zur Musik so aus, daß die Westfälische Regierung ihn, auf Vorstellung des Oberpraefects, bei dem Musikdirector Türk in Pension gab, damit seine Talente durch theoretischen und practischen Unterricht ausgebildet werden sollten. Nachdem er Türks Unterricht einige Jahre genossen, wurde die Unterstützung bei Auflösung der Westfälischen Regierung unterbrochen. Auf dein Hallischen Waisenhause für die Universität vorbereitet, bezog er dieselbe im Jahre 1815 und studirte Philologie und Theologie, um sich für eine Lehreroder Predigerstelle vorzubereiten, trieb aber die Musik daneben eifrig und galt für einen guten Violinspieler und den beliebtesten und gesuchtesten Clavier- und Gesanglehrer in Halle. Auch fanden schon damals einige Compositionen von ihm den Beifall der Kenner. Er hatte daher kaum sein Trienmuin vollendet, als er auf Empfehlung des Kanzler Niemeyer in Halle und des berühmten Directors der Singacademie in. Berlin, Zelter, an das Stettiner Gymnasium als Ccmtor berufen ward. Hier gelang es ihm sehr bald, einen ganz neuen Geist in das Gesangwesen zu bringen, und sowohl seine Vorgesetzten als die Schüler für die Verbesserung desselben zu intressireu. Das sogenannte Chor wurde aufgehoben, und daher der religiöse Gesang zum Gegenstande des allgemeinen Unterrichts im Gym- nasio erhoben. Dieser von Löwe orgcmisirte Unterricht hatte einen so guten Erfolg, daß schon nach Jahresfrist ein Chor von fast hundert Sängern in der Schule und in der Kirche auftraten, und unter seinem Direktorium nicht nnr Oratorien aufführen, sondern auch dem gemeinen Kirchengesange durch ihren Einfluß einen solchen Charakter geben konnten, der die ganze Gemeinde ergriff. Diese glückliche Veränderung zog selbst die Aufmerksamkeit der dortigen Königlichen Regierung so sehr auf sich, daß sie in Vereinigung mit dem Magistrate und dem Schulrathe den Entschluß faßten, nicht nur dieses Institut zu bevestigen, sondern es so zu organisiren, daß dieser bessere Kirchengesang möglichst allgemein gemacht ^werden)
*) Ungenau. Löwe war damals wenig über 26 Jahre alt; er war am 30. November 1796 geboren.