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Die erste Woche des neuen Ministeriums in Frankreich.
ist es von großer Wichtigkeit, Europa das Schauspiel einer Regierung zu geben, die auch über den nächsten Tag hinaus gesichert ist, das Schauspiel einer starken Verwaltung, die Achtung genießt, das Schauspiel einer parlamentarischen Republik, die sich auf jene drei Dinge stützt, welche wesentliche Eigenschaften des französischen Volkes sind: auf gesunden Menschenverstand, Arbeitslust und Liebe zum Fortschritt."
Man kann aus diesen Sätzen nicht viel schließen. Aber der Ton ist in der That friedlich, und wenn die englische Presse den neuen Minister des Auswärtigen abenteuerlustig genannt und angedeutet hat, er könne auf kriegerische Unternehmungen von Bedeutung sinnen, so teilt man in den Kreisen der deutsche» Regierung diese Meinung nicht. Herr Challemel-Lacour mag für seine Person recht geneigt sein, da oder dort einen Streit zu beginnen, aber die persönliche Auffassung und Absicht eines Ministers giebt im heutigen Frankreich nicht den Grundton für das an, was in der Praxis geschieht. Die Politik Frankreichs ist gegenwärtig notwendig eine friedliche und wird allem Anscheine nach noch lange eine solche bleiben. Wollte der Minister des Auswärtigen andre Wege einschlagen, so würde er die große Mehrheit seiner Kollegen und den Präsidenten gegen sich haben und zu Falle komme». Es würde bei einem Versuche bleiben, die französische Politik in andre Bahnen zu lenken; denn hinter der Mehrheit der Minister und Herrn Grevy stüude in solchem Falle nicht bloß die Mehrheit der gesetzgebenden Gewalten, sondern die bei weitem größere Hälfte des ganzen französischen Volkes. Das hat Gambetta erfahren, der sich doch eines bedeutenderen Ansehens und Einflusses erfreute, als seine jetzt ans Ruder gelangten Epigone». Daß Grevy durchaus friedfertig gesinnt ist, steht fest. Erst vor wenigen Tagen äußerte der Präsident der Republik gegenüber „dem Vertreter einer fremden Macht" (wir glauben, es war der Botschafter Österreich-Ungarns) sich sehr entschieden dahin, zwar drängten Notwendigkeiten der innern Lage die Regierung zu Maßregeln, welche, soweit es sich dabei um Personen handle, ihn selbst schmerzlich berührten, aber solange er den Prüsidentenstuhl innehabe, werde kein Ministerium, gleichviel welchen Namen es trage und wie es zusammengesetzt sei, an der auswärtigen Politik rütteln dürfen, die er als Grundlage der Haltung Frankreichs ehrlich angenommen habe und zn jeder Zeit ehrlich zur Geltung zu bringen entschlossen sei.
So der Präsident, und wir glauben ihm und sind überzeugt, daß er auch die Macht besitzen würde, etwaige kriegerische Velleitäten des einen oder des andern seiner Räte schon im Anfang ihrer Verwirklichung zu vereiteln. Wir sind aber zugleich ziemlich sicher, daß solche Velleitäten bei keinem der neuen französischen Minister existiren, also auch bei Herrn Challemel-Lacour nicht. Dies wird namentlich in Betreff Englands mich durch Thaisachen ausgeschlossen. Ein Londoner Blatt hatte die Nachricht gebracht, Challemel-Laeonr habe Tissvt, dem französischen Gesandten in England, Weisungen zukommen lassen, welche