Die Grafen von Altenschwerdr,
Dreizehntes Aapitel.
Gräfin Sibylle von Altenschwerdt fand nach einigen Wvchen Aufenthalt bei den: ausgezeichneten Hcilkiinstler in Fischbeck. daß das Aussehen ihres Sohnes sich wesentlich gebessert habe. Sein Wesen war munter und wenig reizbar, während seine Farbe mehr Braun und Rot zeigte als bei seiner Ankunft von Paris, Zwar entdeckte sie mehrfach zu ihrem Mißfallen das Aroma feinen türkischen Tabaks in seinem Zimmer, und es war ihr einigermaßen rätselhaft, daß Dietrich beim Diner sehr wenig aß und die Gemüse-, Reis- und Kartoffcl- schüsseln meistens an sich vorübergehen ließ, ohne doch, wie zu Anfang, über das Essen zu lamentiren. Aber da er trotzdem gedieh, schloß sie hierüber ihre Augen, in der Meinung, daß es nicht gut sei, den Bogen allzu straff anzuziehen, und daß der größte Scharfblick einer guten Regierung sich oft im Nicht- sehen offenbare. Dietrich zeigte sich gut gelaunt und liebenswürdig, er konnte stundenlang mit Fräulein Glock im Musikzimmer oder im Garten sitzen, und Gräfin Sibylle pries ihren Einfall, das junge Mädchen zu sich berufen zu haben. Mehr als die Hälfte der Schwierigkeit, den lebhaften, unruhigen und leicht mißmutigen und unznfriedenen jnngen Mann an dem langweiligen Ge- snndheitsorte festzuhalten, war von ihren eignen Schultern auf die der sanften Anna abgewälzt worden.
Finden Sie nicht auch, Herr Doktor, fragte sie am Ende der dritten Woche Herrn Schmidt, daß mein Sohn gut aussieht? Es scheint, daß der Algensaft gerade für seine Konstitution vorzüglich geeignet ist.
Der Algensaft, meine gnädige Gräfin, sagte Herr Schmidt, indem er sich in seinem Konsultationsfautcuil zurücklehnte und die Augen zur Hälfte schloß, der Algensaft zeigt sich überall da von besonders pathologischer Wirkung, wo die Irritabilität des Nervensystems der Alkalisation ein günstiges Feld bietet, und es ist die reiche Sättigung mit Jod und Brom bei dieser merkwürdigen Meercs- pflanze von entscheidender Influenz auf die der stärksten Infiltration bedürftigen weißen Stränge, die von den Zentren der cerebralen Aktion zu den peripherischen Motoren leiten.
Die Gräfin verstand diese Erklärung nicht ganz, war aber umsomehr überzeugt von deren Richtigkeit und von der wissenschaftlichen Bedeutung des Herrn Schmidt. Sie hielt streng darauf, daß Dietrich seine Tropfen regelmäßig nahm, war aber zugleich darauf bedacht, ihn möglichst viel in die freie Luft zu bringen, da sie auch von dem Einfluß der Seeluft eine günstige Meinung hatte. So pflegte sie Nachmittags in der Regel eine Spazierfahrt mit Dietrich zu machen, wobei sie häufig Fräulein Glock mitnahm. Es zeigte sich, daß Dietrich besserer Stimmung war, wenn noch eine dritte Person an der Unterhaltung teilnahm, und auch Gräfin Sibylle sah es nicht ungern, wenn sie in natürlicher Weise die fernere Erwägung jenes ernsten Gegenstandes vermeiden konnte, den sie