Die Grafen von Altenschwerdt.
S31
Sie näherten sich jetzt einer Hügelkette, welche gleich einem Damme das tiefliegende Land vor der in der Ferne brausenden See beschützte, nnd erblickten, indem sie eine Biegung nm die zunächst gelegene bewaldete Erhöhung machten, die Ruine vor sich, deren obern zerrisseneu Rand sie vorhin schon hatten emporragen sehen. Vor alten Zeiten mochte ein fester Platz, zur Verteidigung gegen räuberische Anwohner der Küsten von Schweden und Norwegen geeignet, hier gelegen haben, jetzt stand nur noch ein zerfallenes Gerippe von geringer Ausdehnung dort, die Überbleibsel eines runden Thurmes, der mit einigen leeren Fensterhöhlen in die See hiuausschcmte, während der übrige Bau wohl lange schon seine einzelnen Bestandteile zur Errichtung der wenigen unscheinbaren Gebäude in der Nähe abgegeben oder dieselben im Zerfallen auf dem Hügel umhergestreut hatte.
Es war ein Treiben und Wehen der Nebelmasfen am Strande, ein Kamps zwischen Wind und feuchter Luft, welcher noch nicht erkennen ließ, auf welche Seite der Sieg sich neigen werde. Bald verdünnte sich das graue, wogende Wolkenmeer und schien in die Höhe steigen zu wollen, bald senkte es sich wieder herab und verhüllte den blitzenden Spiegel der See und die Umrisse der entlegeneren Hügel.
Unmittelbar an die Ruine auf der Höhe lehnte sich ein einstöckiges Hans, dessen Front nach dem Meere zu gerichtet war, und von diesem Hause aus zog sich ein Garten, dessen einzelne Partien terrassenförmig über einander lagen, die Hügelseite herab ins Thal. Doch nicht nach dem Meere hin und vor der Vorderfeite des Hauses lag der Garten, sondern der Besitzer hatte klüglich die Schattenseite und den kalten Seewind vermieden und seine Anlagen landeinwärts gemacht, sodaß die Soune den Tag über darauf scheinen konnte. In dem Thale unten, dem sich die kleine Kavalkade jetzt näherte, lagen noch mehrere Gebäude, von Garten uud Feld umgebeu, verstreut, von denen einige offenbar Ställe und sonstige der Wirtschaft dienende Baulichkeiten waren. Ein Streifen Wald schloß sich an diese bebauten Landstücke an und sührte von hier aus in weitem Bogen, zu immer größerer Breite anwachsend, in das innere Land zurück. Gleich einem vorgeschobenen Posten der Kultur lag die Besitzung des Grafen von Francken an der Meeresküste, und als das Brausen der See nun aus der Nähe zum Ohre der Herankommenden scholl und der Salzgeruch des Wassers deutlich ward, während von lebenden Wesen nur ein Mövenpaar, mit weißen Flügeln über die Hügel dahinscgelnd, sichtbar war, hatten sie das lebhafte Gefühl einer Einsamkeit voll großartiger Eindrücke der Natur.
Auf Dorotheens Anweisung wollten sie zu dem ersten der im Thale liegenden Häuser reiten, um dort ihre Pferde dem Schutze des alten Degenhard anzuvertrauen, aber indem sie an der Rotdornhecke vorüberritten, die den Garten begrenzte, erblickten sie jenseits derselben den Grafen selbst, der auf den Spaten gestützt in seiner ländlichen Arbeit innehielt und sie begrüßte. Ebcrhardt schwang