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Henri Regnault.
Marmor Lachen schwärzlich-roten Blutes zurückgelassen, die, etwas frühzeitig, bereits geronnen sind. Auch der eben abgeschlagene Kopf antizipirt nach der Gewohnheit der französischen Maler in seinem graugrünen Leichenton bereits die Schrecken der Verwesung. Und zu diesem entsetzlichen Schauspiel, das durch die grellsten Farben für die Sinneswahrnehmung des Beschauers noch empfindlicher, verletzender und verstimmender gestaltet wird, der von Gold glitzende Hintergrund mit scineu unruhig flimmernden Arabesken! Es ist ein Triumph malerischen Raffinements, wie ihn die moderne französische Schule nicht zum zweitenmal davongetragen hat, aber ein Triumph auf Kosten der Schönheit und der Sittlichkeit, welche durch die nackte Darstellung menschlicher Brutalität aufs ärgste gefährdet wird. Selbst Claretin vermochte sich mit dieser „flimmernden Malerei" nicht zu befreunden, und Paul Mautz faßt sein Urteil über dieses Bild dahin zusammen: „Dies Gemälde war in den Werken Negnaults ein neuer Beweis nach so vielen andern, daß er die Dinge nur von ihrer malerischen Seite sah und sehen wollte, und daß er nicht bis in die Tiefe der Seele drang. Unzweifelhaft zeigt sich die Spur einer Idee in dem Porträt Prims; aber er giebt nichts mehr der Art in seiner Judith; in der Salome ist sie unfaßbar; sehr wenig ist davon in der »Hinrichtung ohne Urteilsspruch« zu finden. Das Dramatische war nicht die Domäne Regnaults, und obgleich die gütige Fee ihn verschwenderisch ausgestattet, hatte sie unter ihren Geschenken die Gabe der Thränen vergessen."
Neben diesem Gemälde und der „Salome" entstanden während Regnaults Aufenthalt in Tanger noch mehrere Skizzen, von denen der „Auszug der Paschas von Tanger" und der „Aufbruch zur Fcmtasia" die bedeutendsten sind, und verschiedne Aquarelle, deren Farbmglcmz mit der Wirkung des Ölgemäldes wetteifert. Am reinsten aber entfaltet sich die ungewöhnliche technische Meisterschaft, die Regnault schon frühzeitig erworben hatte, in den gezeichneten Porträts. Die mit Bleistift und schwarzer Kreide gezeichneten Bildnisse des Orientmalcrs Bida, der Porträtmalerin Mlie Jacquemart und seiner Braut, der Tochter des Genremalers Breton, deren Liebe er noch knrz vor seinem Tode gewonnen hatte, schienen das Urteil Blanes zn bestätigen, welcher meint, daß der Zeichner Regnault den Sieg über den Maler davontrug.
Als die Kunde von der Niederlage der französischen Armeen nach Tanger drang, litt es den heißblütigen Maler nicht mehr in seinem schönen, von Sonnenglut erfüllten Atelier. Er eilte in die Heimat und kam wenige Tage vor der Katastrophe von Sedan in Paris an. Nach der Proklamation der Republik ließ er sich in eine Franetireurkompagnie aufnehmen, welche er sich ausgewählt hatte, weil der Kapitän einen malerischen Kopf besaß. Bald widerte ihn aber die Roheit seiner ihm an Bildung ungleichen Umgebung an, und als er eines Tages von einem seiner Waffengefährten eine brutale Äußerung über den Leichnam eines eben gefallenen Kameraden hörte, trennte er sich von den Fmnctireurs.