Henri Regnault.
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die Werkzeuge des Tvdes hält," sagt Paul Mantz, „obgleich ihre Hand zerstreut mit dem Handschar spielte, denkt sie sich nichts, wie ein Tier voll milder Grazie, welches gar nicht weiß, daß es reizend und fürchterlich zugleich ist." Und Charles Blanc macht dazu die treffende, anch für die gesamte Kunstcmschauung Regnaults giltige Bemerkung, daß er „aus der menschlichen Gestalt ein prächtiges Objekt, eine liebenswürdige und glänzende Pflanze, ein Kleinod wie jedes andre in dem allgemeine» Juweleukasten" machte. Er behandelte das menschliche Wesen als gleichwertig mit dem Tigerfell, ans welches Scilome ihre Füße gestellt hat, nnd mit dem gelben Stoffe des Hintergrundes, von welcher sich der Kopf gerade so abhebt wie das bunte Gewand und der mit großer Sorgsamkeit gemalte Sitz. „Regnault malte mit gleicher Liebe ein lebendes Geschöpf oder ein Stück Zeug, ein weibliches Modell oder eine asiatische Fayence."
Daß Regnault, indem er diesen Weg einschlug, nicht etwa einem Instinkt folgte, sondern mit bewußter Absicht vorging, beweist das letzte Gemälde, welches ihm zu vollenden beschicken war, die „Hinrichtung ohne Urteilsspruch unter den maurischen Königen in Granada." Der Gedanke au ein solches Bild, in welchem er seine ganzen Alhambrastudien zusammenfassen wollte, hatte ihn schon während der letzten Monate des Jahres 1869 beschäftigt. Jetzt ging er, Ende März, noch ein drittes mal nach Spanien, nach Sevilla und nach Granada, um seine Erinnerungen aufzufrischen und neue Studien zu machen. Ende Mai war er wieder in Tanger, voll Ungeduld, endlich sein Werk zu beginnen, welches die letzte seiner Sendungen als Stipendiat war und welches in der Ausstellung der Lvols äs« b6g,ux-art>8 figuriren sollte. Er mnß es in kurzer Zeit vollendet haben; es traf im Sommer in Paris ein, zu einer Zeit freilich, als niemand an die Kunst und noch weniger an die Arbeiten der Kunstschüler dachte. Die Kriegserklärung an Preußen war eben erfolgt, und die Wogen der öffentlichen Aufregung überfluteten alle Interessen, die sich nicht unmittelbar an die Frage des Tages knüpften. Erst die nach dem Tode Regnanlts im Jahre 1872 veranstaltete Ausstellung seines künstlerischen Nachlasses, seine Aquarelle, Studien und Zeichnungen, lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit auf das letzte Werk des Künstlers, der inzwischen zum nationalen Heros gestempelt worden war. Auf der obersten Stufe einer Treppe, die in das Innere eines Palastes im Stile der Alhambra führt, steht ein langer Maure. Sein brauner Kopf, von welchem sich eine weiße Binde in schneidendem Kontraste lostrennt, sieht wie aus Bronze gegossen aus. Sein Gewand hat, in merkwürdigem Widerspruch zu seinem blutigen Geschäfte, die zahme Farbe blasser Rosen. Mit dem Ausdruck vollkommener Gleichgiltigkeit wischt er an seinem Gewände ein paar Blutstropfen von der Klinge seines Säbels ab, mit welchem er soeben das Haupt von dem Rumpfe einer prächtig in grüner Seide gekleideten Persönlichkeit abgeschlagen hat, die zu seinen Füßen zusammengestürzt ist. Der Kopf mit den schrecklich verdrehten Augen ist ein paar Stufen herabgerollt und hat auf dem weißen