Ein neuer Kommentar zn Goethes Gedichten.
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(AisMllMM vostbiMg.. 1880, Nr. 3). Wenzel vergleicht treffend das Lied mit einem Fragment des griechischen Lyrikers Alkman (bei Bergt, III, 352), anfangend: LÄou-zi xcipuP«i ?e x«i rf«p«-s-se?. Auch das Schlummerlied der Sappho:
„Schlummer liegt auf Bergeshöhn" trägt in Mählys Übertragung der griechischen Lyriker die Überschrift: Über allen Gipfeln ist Ruhe. Die ersten Verse bringen diese Ruhe der Gipfel, die letzten die der Vögelein; aber die Beziehung auf den Menschen fehlt. Eine Nachdichtung von I. Falck findet sich als Nr. 860 der „Volkstümlichen Lieder" von Hvffmann vou Fallerslebcn. Vergl. Masing, Über ein deutsches Lied, 1872, O. Blumenthal, Deutsche Dichterhallc, März 1874, S. 183, wo zwei Fassungen zusammengestellt sind, Hein, Arch. f. Lit.-Gesch., VI. 513 und B. Marx, Kompositionslehre, III, 358 und 417.
Zahlreich sind die Komponisten des Liedes, Zelter (Neue Lieders. 1821. S. 20 „Ruhe"), Fr. Schubert ox. 96, Kuhlau, Fr. Liszt, Rob. Radeke (ox. 27 Terzett). A. Rubinsteiu (Duett).
Freilich, freilich — es ist ein mühseliges Geschäft heutzutage, ein Goethifches Gedichtchen von acht Zeilen zu lesen und zu verstehen. Wie schmeckt aber auch der „Braten," nachdem man drei solche „anatomische Vorlesungen" darüber genossen!
Die Zusammenstellung der obigen drei Kommentare ist lehrreich. Sie zeigt, wen» auch an einem kleinen Beispiel, ziemlich deutlich die Eigentümlichkeiten jedes einzelnen. Viehoff will das Nötigste und Wesentlichste zur Geschichte des Gedichts mitteilen, giebt in wenigen Zeilen die richtige Auffassung desselben an die Hand und deutet an, auf welchen formalen Eigenschaften seine besondre Wirkung beruhe. Düntzer entfaltet in seinen geschichtliche!, Nachrichten jene rührende Genauigkeit, die sich bis auf Goethes „schneeweißes Taschentuch" erstreckt, ergötzt uns dann durch eine seiner unnachahmlichen prosaischen Umschreibungen, in der er Zeile für Zeile noch einmal mit etwas andern Worten sagt, was schon der Dichter gesagt hat, und malt endlich das Äußere des Gedichts mit jener steckbriefartigen Genauigkeit ab, die ihm auch so leicht niemand nachmachen wird. Loeper endlich — ja was thut Loeper? Er stellt zunächst mit einer überwältigenden, fast niederschmetternden Gelehrsamkeit, gegen die selbst Düntzers Wissen einen wackligen Eindruck macht, die Entstehungsgeschichte des Gedichtes fest, bombenfest, daß nicht daran zu rütteln ist, bringt dann ein Paar Zitate, die zu dem Sinne der Verse in Beziehung stehen oder auch nicht in Beziehung stehen, und schüttet endlich einen ganzen Sack voll mehr oder weniger interessanter Notizen vor uns aus, die zwar zum Verständnis des Gedichtes nichts weiter beitragen, aus denen sich aber doch der eine dies, der andre jenes als Merkwürdigkeit auslesen kann.
Aber bei dem einzelnen Beispiel kann ja der Zufall walten. Betrachten wir nns also den neuen Kommentar etwas genauer, nm zu sehen, wie er sich von seine» Vorgängern unterscheidet, und ob und wo er über jene hinausgeht.
Der vorliegende Band eröffnet, wie schon angedeutet, eine neue Ausgabe der in den Jahren 1867 bis 1879 im Hempelschcn Verlage iu Berlin in 36 Bänden Grenzbotcn I. 1883. 64