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Lin neuer Kommentar zu Goethes Gedichten.
I» der Fassung des Drucks (nur V, 6 Vögel) hat Goethe das Lied in der Nacht vom 6. ans den 7. September 1730 an die Innenwand des herzoglichen Jagdhünschcns auf dem Gickelhahn, dem höchsten Waldbergc bei Ilmenau, mit Bleistift geschrieben. Bon dort richtete er abends an Frau von Stein die Worte: „Es ist ein ganz reiner Himmel, und ich gehe, des Sonnenuntergangs mich zn freuen. Die Aussicht ist groß nnd einfach. — Die Sonne ist nnter. Jetzt ist die Gegend so rein nnd rnhig nnd so uninteressant als eine große schöne Seele, wenn sie sich am wohlsten befindet. Wenn nicht noch hie nnd da einige Vapenrs von den Meilern aufstiegen, wär' die ganze Szene unbeweglich." Wenn der englische Naturforscher Tyndall von V. 5 sagt, er zeige „eine ruhige Atmosphäre, die den leichten Ranchsänlen ans den Hütten des Waldes gestattet, sich langsam in die Lüfte zn erheben," so beweist der Schluß obigen Briefes die Richtigkeit seiner Anschauung; nur muß mau statt der Hütten sich Kohlenmeiler denken. Knebel las „Goethens Verse," wie er notirt, schon vier Wochen nach ihrer Abfassung, in der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober 1780, die er mit dem Herzog in dem Bretterhänschcn zn- brachte, von der Hvlzwand ab. Herder konnte seine Kopie im folgenden Jahre von der Strophe nehmen. Nach 33 Jahren erneuerte Goethe die Inschrift mit: lim. 29. August 1813 (s. Eiu Tag aus dein Leben des Herzogs Karl August, Frankfurter Didaskalia 1875, Nr. 233), und ebenso recognoscirte er sie nach 51 Jahren im Angust 1831 (An Zelter, Nr. 813). Da das Häuschen am 11. Augnst 1870 gänzlich niederbrannte nnd die früher von der Inschrift genommenen Abdrücke (Gartenlaube, Oktober 1372, S. 657, nnd Berichte des Fr. D. Hochstifts 1880/31, S. 80) das Datum nicht deutlich hervortreten lassen — auch ich vermochte zu Ende September 1847 die Jahreszahl an Ort und Stelle nicht mehr zu entziffern —, Goethe selbst aber in dem Schreiben an Zelter vom 4. September 1831 den 7. September 1783 angegeben hatte, so entstanden Zweifel über das wahre Entstehuugsjahr. Die Kritik ließ sich jedoch nicht irre machen, insbesondre wiesen Gvedcke (Arch. f. Litt.-Gcsch.. VIII. 104 flg.) und Sintenis (Neue Dörpter Zeit. 1873, Nr. 278) das oben angegebene Datnm als das richtige nach, während Masing das Jahr 1779 uud Düntzcr mit E. Lichteuberger (S. 193) das Jahr 1783 vertritt.
Fr. Bischer bemerkt, das Lied — ein profanes Seitenstück zu Paul Gerhards „Nun ruhen alle Wälder" — „lasse nns bedeutungsvoll in Ungewißheit, ob ruheu (V. 8) heiße schlafen, oder betrachtend in sich versinken, oder sterben." Mit der dritteil Beziehung schloß der Dichter in denselben Tagen die Ode an die Phantasie: „O, daß die erst mit dem Lichte des Lebens sich von mir wende!" und bald darauf, 3. November 1780, einen Brief an Lavater: „die Zeit kommt doch bald, wo wir zerstreut werden, in die Elemente zurückkehren, aus denen wir genommen sind." In demselben Sinne las er, ein halbes Jahr vor seiner ewigen Rnhe, die Worte unter Thränen: „Ja, warte nur, balde ruhest dn auch" (Bericht des Berginspektors Mahr, 1855).
Umfassend ist die Literatur des kleinem Liedes. Hoffmann von Fallersleben und E. Richter (1842, Nr. 274 der Schlesischeu Volkslieder) brachten die Nachbildung:
Schlaf, Kindchen, balde!
Die Vögel singen im Walde u. s. w.;
gegen A. Kuh», der die Priorität dieses Liedes annahm, erklärten sich 1343 von der Hagen (Germania V, Nr. 20 und X, S. 270 flg.) und später H. Wenzel