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Die französische Rolonialpolitik und England.
gröbsten durchgeführt ist, ist man dem Gedanken von Kolonialreichen in andern Wcltgegendc» thatsächlich näher getreten, nnd es liegt deutlich ans der Hand, daß, was mich die Meinung des französischen Volkes von der Angelegenheit sein mag, die Pariser Politiker der festen Überzeugung sind, Frankreich bedürfe zu seiner Wohlfahrt und Größe Niederlassungen, Stationen und Kolonien in fernen Gegenden der Erde, und sie hätten die Pflicht, nach Möglichkeit dahin zu wirken, daß ihm solche zu Teil würden. „Wir haben eine doppelte Politik znr Wahl vor uns, sagt ein hervorragender französischer Journalist, zwei einander widersprechende Vorstellungen von unsrer Zukunft. Nach der einen soll Frankreich in seinen Grenzen bleiben, sich zufrieden geben mit dem, was es hat, andern erweiterte Gesichtskreise nnd überströmende Thätigkeit, kühne Unterneh- mnugen nnd weitreichenden Handel überlasse». Die zweite Politik ist die jetzt adoptirte — Ausbreitung über fremde Länder, und diese ist vorzuziehen," was er dann zu begründen versucht.
Betrachten wir das, was bisher zur Ausführung der zweiten politischen Idee geschehen ist, so kann man nicht sagen, daß die eigentliche Aktion und die Vorbereitungen zn weiterem einen großartigen Stil zeigen. Dies gilt zunächst von der beabsichtigten Expedition nach Tonki». Das im Süden des chinesischen Reiches gelegne Land Tonkin wurde 1802 vom Beherrscher des benachbarten Annam unterjocht und blieb von da an bis 1872, wo ein französischer Kaufmann den Roten Strom, den Hauptfluß des Landes, hinauffuhr, den Europäern verschlossen. Im Jahre darauf wurde es durch eine Handvoll Franzosen erobert, aber am 24. März 1874 schloß die Regiernng der Republik mit dem Könige von Annam, Tuduk, einen Vertrag ab, durch welchen Tonkin wieder nnter dessen Sonveränetät gestellt wurde. Zu gleicher Zeit machte Frankreich demselben ein Geschenk von fünf Dampfschiffen, hundert Kanonen und tausend Tabatiörcgewehren samt einem Vorrat von Munition. Als Gegenleistung wurde bedungen, der König solle Tonkin dem europäischen Handel öffnen und auf dem Roten Flusse die freie Schifffahrt nach dem südwestlichen China aufrecht erhalten. Die französischen Konsuln in den Städten Hanoi und Haifong wurden angewiesen, die Ausführung dieser Bestimmungen zu überwachen, sie mußten aber bald berichten, daß der König Tuduk seinen Verpflichtungen nicht nachkomme, und so entsendete im April des vorigen Jahres der französische Kommandant von Cochinchina den Schiffskapitän Riviöre mit einigen Kanonenbooten und zwei Kompaguien Marinesoldaten nach Hanoi, wo sie sich der Zitadelle bemächtigten. Diese kleine Trnppenmacht befindet sich noch dort, ist aber von Annamiten und chinesischen Strompiraten eingeschlossen, und so gilt die beabsichtigte Expedition in erster Linie der Befreiung Riviöres und seiner Leute. Mit den Truppen, die vor etwa vier Woche» von Toulon »ach dem Roten Strome abgegangen sind, wird man schwerlich viel mehr ausrichten. Sie sollte» nur eine Verstärkung sein und bestände» aus nicht mehr als 750 Mann