Die Pflege der Monmnentalmalcrei in Preußen.
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wegt. Den Schluß der ersten Reihe bildet die Demütigung Heinrichs des Löwen vvr Kaiser Friedrich Barbarvssa in der Peterskirche in Erfurt (1181). Das erste Bild der Ostseite zeigt die in Siegesjubel aus einer Raubritterburg heimwärts ziehenden Erfurter Bürger, welche dieselbe unter der Führung des ernst und gebietend im Zuge einherreitenden Kaisers Rudolf vvn Habsburg erobert und zerstört haben. Das Bild über der Thür erinnert durch die thronende Gestalt der Wissenschaft, der ^Ima mater, und durch die Vertreter der vier Fakultäten, unter denen sich Luther und Eobanus Hesse befinden, an die kurze, aber ruhmvolle Blütezeit der Universität, und durch die beiden Engel, welche mit Schriftbändern in den Händen die Wissenschaft umschweben, an die ÜMMs ovsouroruin. virorum, welche von Erfurt ausgegangen sind. Das folgende Bild ruft in dramatischer Gestaltung das sogenannte „tolle Jahr" ins Gedächtnis, jenen Aufruhr von 1509, wo der Pöbel in das Rathaus drang, sich der Stadträte bemächtigte und das Regiment an sich riß, welches er unter vielen Greuel- .und Gewaltthaten ein Jahr lang behauptete. Der Einzug des Kurfürsten und Erzbischofs Johann Philipp von Mainz und die Huldigung der Bürgerschaft vor demselben, mit welcher die Bilderreihe der Südseite beginnt, führt uns in eine trübe Zeit der Stadt, in welcher ihre Selbständigkeit aufhört. Mit der Einverleibung Erfurts in die Monarchie Preußen (1803), deren das folgende Thürbild durch die Huldigung der Stände vor König Friedrich Wilhelm III. und Luise gedenkt, begann eine neue glückverheißende Ära. Sie wurde nur durch die Franzosenherrschast unterbrochen, deren schimpflichstes Denkmal, der auf dem Anger zu Ehreu „Napoleons des Großen" errichtete hölzerne Obelisk, am 6. Januar 1814 beim Einzüge der Preußen niedergerissen wurde. Dicseu Akt der Volksjustiz stellt das letzte Bild des Cyklus dar.
Welch ein ungeheurer Abstand zwischen diesen Bildern, in welche» sich der Realismus der Farbe und der Charakteristik mit einer stilvollen Gestaltnng und Gliederung der Komposition zu einem Zusammenklänge von seltener Harmonie vereinigt, und der fremdartig abstrakten, aller Weltlichkeit uud Sinnlichkeit abgekehrten Formensprache eines Cornelius! Welcher Abstand aber anch in der Charakteristik von den frostigen Wandmalereien, den schematischen, eines jeden individnellen Lebens entbehrenden Gestalten der spätern Düsseldorfer, die mau zu ihrer Zeit Realisten im Gegensatze zu Cornelius nannte! Es ist ein eigentümliches Spiel des Zufalls, daß die Reform der Monumentalmalerei — denn als einen Reformator auf diesem Gebiete darf man Jcmssen aus vielen und gntcn Gründen bezeichnen — von Düsseldorf ausgegangen ist, und zwar von der Akademie ausgegangen ist, an welcher Janssen seit 1877 als Professor und gegenwärtig als Vorsitzender des Direktoriums wirkt. Das wäre ein Mann, welchem getrost diese bedcntsame Stellung mit größerer Machtvollkommenheit anvertraut werden könnte. In der Blüte der Jahre, in der Fülle der Kraft, mit gerechtem Stolze auf eine Reihe hervorragender Thaten blickend und doch