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Hätten wir also auch nicht eine so bestimmte Nachricht wie die des Grotius, wüßten wir auch nicht von den Gewaltsamkeiten, die überall in Europa — wir brauchen keine Einzelheiten anzuführen! — von der katholischen Kirche ausgeübt worden sind, wir würden schon aus dem angeführten Grnnde eine von ihr ins Werk gesetzte Verfolgung für blutiger halten müfsen als die der heidnischen Römer waren.
Wir haben oben gesehen, daß es geradezu ein Unding ist, die Behandlung der deutschen Katholiken in dem sogenannten Kulturkampf eine neronische Christenverfolgung zu nennen; will man die Begriffe zerren und drehen, so mögen sich wohl aus der diocletianischen Verfolgung einige analoge Erscheinungen auffinden lassen. Es müßten dann die evangelischen Deutschen den heidnischen Römern, der deutsche Kaiser und Fürst Bismarck dem Diocleticm und dem Galerius, die geforderte Anzeigcpflicht etwa dem Opfer für den Genius des Kaisers gleichgestellt werden. Das wären aber doch Übertreibungen der schlimmsten Art. Wir meinen, daß die deutschen Katholiken mit ihrem ausländischen Papst, dem sie blindlings ergeben find, am allerwenigsten nötig gehabt hätten, einen Vergleich zu gebrauchen, der ihre Gegner gerade auf die angreifbarsten Punkte der katholischen Kirche aufmerksam machen mußte.
Zwei Shakespeare-Essays.
uf dem ästhetisch-kritischen Markte sind neuerdings zwei kleine Broschüren erschienen, die zu betrachten aus einem ganz besondern Grunde sich wohl verlohnt. Die eine führt den Titel Zur Hamletfrage. Versuch einer Erklärung des Stückes von Hermann Besser (Dresden, E. Pierson, 1882), die andre Der Sturm und das Wintermärchen, zwei Shatespearesche Dramen, in ihrer symbolischen Bedeutung, von Felix Boas (Stettin, Dannenberg, 1882). Beide treten in bescheidenem Gewände auf. Ihre Verfasser nehmen den Mund nicht allzu voll und geberden sich nicht, als hätten sie die Quadratur des Zirkels entdeckt. Sie machen den Eindruck ernstgesinnter Männer, denen die Lösnng ihrer Aufgabe Herzenssache ist, sie disputiren mit Anstand und zeigen, wenn sie auch nach keiner Seite hin bedeutend erscheinen, doch eine schätzbare Konsequenz und selbst eine gewisse Feinheit des Denkens. Und doch haben sie umsonst geschrieben, doch stellt sich in ihnen nur der alte Fluch des deutscheu Nsthctisirens verkörpert dar. Anstatt ein dramatisches Kunstwerk mit sinnlicher Unmittelbarkeit anzuschauen und auf sich wirken zu lassen, konstruiren sie eine „Idee,"