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Die neue sächsische Gymnasial-Verordnung und die Überbürdungsfrage.
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uasien in den untern Klassen ncihezn gleichgestellt worden sind, sodaß der Über­gang von einer Anstalt zur andern , welcher gerade in diesen Klassen häufig stattfindet, ans keine Schwierigkeiten mehr stößt.

Weniger glücklich erscheint uns die Maßregel, daß mau von Untertertia an je eine Stunde dem lateinischen Unterrichte genommen hat, um sie dem griechischen zuzulegen. Man hat damit, während früher das Latein Kern und Mittelpunkt der gymnasialen Bildung war, die Vorherrschaft dieser Sprache gebrochen und eine Doppelherrschaft geschaffen, welche nnr verwirrend auf die Jugend ein­wirken kann. Wir reden damit keineswegs der Erhaltung der bis jetzt dem lateinischen Unterricht eingeräumten Stundenzahl das Wort, Soll eine Ver­ringerung der zu erteilenden Stunden eintreten, so kann das am reichlichsten bedachte Latein noch am eheste» auf eine Stunde verzichten. Daß aber zum Ersatz für den in Quarta verlorenen Unterricht das Griechische in den obern Klassen eine Stunde mehr erhält, scheint uus mit Rücksicht ans die hierdurch veränderte Stellung znm Latein wenig empfehlenswert. War eine Änderung notwendig, dann ließ sich jetzt die Gelegenheit benutzen, die während des letzten Jahrzehntes ungebührlich gesteigerten Anfordernngcn der griechischen Grammatik auf das rechte Maß zurückzuführen.

Man hat für die Bevorzugung der griechischen Sprache auf den Gym­nasien geltend gemacht, daß, ganz abgesehen von dem formalen Bildungswerte, dem Einblick in eine reiche und originelle Sprache mit neuen Formeu der Wort- beuguug nud Satzbilduug und der großartigen Literatur des geistreichsten Volkes, welches die Welt je gesehen hat, vor allem das Griechische für das deutsche Volk darum einen höhern Wert besitze, weil der deutsche Geist dem griechischen näher stehe als dem lateinischen. Uns erscheint, für den Fall, daß mau das letztere zugestehen wollte, gerade hieraus der Schluß gezogen werden zu müssen, daß man darum nicht das Griechische, sondern das Latein in erster Linie für den Unterricht verwende, denn nichts kann unsrer Ansicht nach bildender auf die Jugend einwirken, als der stete Vergleich unsrer Sprache und unsers Volksgeistcs mit der Sprache uud dem Geiste eines von nns so verschiedenen Volkes, wie es das rö­mische war. Es kommt hier doch nur auf den Schnlwert, nicht auf den absoluten Wert eines Wissenszweiges an.Daraus, sagt mit Recht Rümelin,*) daß die griechische Literatur sich im ganzen zur römischen wie das Original znr Nachbildung verhält, daß insbesondre die griechischen Dichter nnd Philosophen hoch über den römischen stehen, daß die griechische Sprache nach Wortschatz und Formen weit reicher und vielseitiger als die lateinische ist, folgt noch keineswegs ein Vorzng vom pädagogischen Standpunkte, uud es ist eine ganz verfehlte und der Sach­kenntnis ermangelnde Meinung, das Griechische dem Lateinischen gleich oder gar voranstellen zu wollen. Die lateinische Sprache hat den Vorzng der einfacheren

*) Reden und Aufsätze, Neue Folge, S. SöV,