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Herr Eduard Engel.
Ich zähle nicht zu den Lesern des „Magazins" und höre durch Zufall erst jetzt von diesem Artikel. Während ich es aber bisher verschmäht habe, mich auf irgend einen der Angriffe einzulassen, welche den „Grenzboten" in den letzten Jahren reichlich geblüht haben, da bei der augenscheinlichen Unlauterkeit ihrer Quelle mir eine Vertheidigung sowohl den Freunden dieser Blätter als auch ihren anständigen Gegnern gegenüber überflüssig erschien, will ich mich Herrn Engel stellen. Ich thue es mit Rücksicht auf den Umstand, daß er seinen Angriff als Herausgeber des Organs des A. D. Sch.-V. und Theilnchmer des Wiener Congresses lancirte und sich selbst als dnrch den Grenzbotenbericht lächerlich gemacht betrachten durfte, wenn er auch, wie er bescheiden mittheilt, dem „Verbandsneste" nur als die geringste seiner Berühmtheiten angehört. Aber ich thue es zugleich in der Absicht, bei dieser Gelegenheit über seinen Kopf hinweg noch zu andern Leuten zu reden.
Der Artikel des Herrn Engel, der unsern Lesern entgangen sein möchte, verdient vou ihnen gekannt zu werden. Ich nagle ihn hier an, damit ihn jeder sehen könne.
Ein Satyrspiel zu den Schriftstellertagen in Wien.
Jedes Festspiel der Griechen hatte bekanntlich zum fröhlichen Abschluß ein Satyrdrama, in welchem lustige Bocksprünge einer komischen Person dafür sorgten, daß der weihevolle Eindruck der vorhergegangenen Tage nicht zu nachhaltig auf der Seele lastete, sondern daß sie sich unter gesundem Lachen bewußt würde, wie das menschliche Leben aus Ernst und Scherz harmonisch aufzubauen sei. Auch dnrch das Mittclalter hindurch bis in die neueste Zeit hinein hat sich der Brauch erhalten, daß dem Hohen und Idealen das Niedrige, Banausische, mit einem Wort der Clown die richtige Würze der Ergänzung verleihe.
Diese beneidenswert!)«: Rolle der lustigen Person hat für die Tage des Schrift- stellercongresses in Wien ein Anonymus in den Leipziger „Grenzboten" zu spielen übernommen — leider ohne eine Spur des Witzes, den man sonst an Clowns so gern belacht. Daß der Verfasser nicht Mitglied des Deutschen Schriftstellerverbandes sein kann, halte ich für selbstverständlich; ja er hat zweifelsohne nicht einmal den Verhandlungen in Wien beigewohnt, sondern hat sich, nach der biedren Weise dieser Species, aus irgend einem Wiener Revolverblättchen seine trüben Informationen geholt und diese nach berühmten Mustern für sein edles Blatt verarbeitet. Es gemahnt das rührend an das in dieser Aera der Verleumdungen nnd Lügen so schwunghaft betriebene System derer, die sich „Seine Lente" nennen. Klopfen wir einmal den „Grenzboten" etwas nachdrücklicher auf den Busch, als sie gemeiniglich sonst dessen gewürdigt werden.
Eine alte italienische Encyklopädie erklärt das Wort „rsttils" (zu deutsch „Reptil") dahin: „Änimali senW xisäi ous vimno eollü. Mnvia xsr tona" — „Viecher ohne Beine (oder mit so kurzen wie die Lügen), welche mit dem Wanst auf der Erde kriechen." Hätte der alte Gelehrte, dem ich diese Erklärung verdanke, die neueste Gattung des Gewürms gekannt, welches sich vom Abhub des Wclfenfonds schlecht und recht nährt, er hätte hinzugefügt: „und welche nur im Dunkeln gedeihen." Die Anonymität ist nämlich das Lebenselement dieser Ehrenmänner, ohne welches sie trotz ihrer glatten Reptilnatur bald entdeckt uud dann wahrscheinlich