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Das Ministerium Gambetta.
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Das Ministerinin Gambetta.

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der Kammer, wo er sich zur vorgeschrittenen Linken hielt. Man erwartet von ihm eine radicale Finanzpolitik, der auch Gambetta zuneigt, und wahrscheinlich werden wir bald vom Ankauf der Eisenbahn »ach Orleans durch den Staat und von der Conversion der fünsprocentigen Rente hören. Allgemein bekannt ist, daß er schutzzöllnerischen Anschauungen huldigt,

Mauriee Rouvier, der ueue Minister für Handel und Kolonien, war seit 1871 Vertreter von Marseille in der Dcputirtenkammer und ist jetzt 39 Jahre alt. Schon während des Kaiserreiches machte er sich als Journalist von republi­kanischer Farbe bekannt. Nach dem 4. September 1870 wurde er Secretär in der Präfectur in Marseille, und als er in die Nationalversammlung gewählt wurde, setzte er sich auf die äußerste Linke. 1872 bekämpfte er entschieden in der Presse wie in der Kammer die Entscheidungen der Commission über das Schicksal der verurtheilten Communisten, so daß seine gerichtliche Verfolgung beantragt wurde, welche die Kammer indeß auf Changaruiers Autrag ablehnte, obwohl Rouvier selbst sie zu wünschen erklärte. Er ist ein eifriger Freihändler, und die Engländer hoffe» von ihm einen Handelsvertrag, der ihren Interessen entspricht. Das Ungestüm seiner jüngeren Jahre hat jetzt größerer Ruhe und Ueberlcgtheit Platz gemacht.

Antonin Proust, dem das Departement der schönen Künste übertragen ist, war anfangs Journalist, dann, nachdem die Republik erklärt worden, Secretär im Ministerium des Innern. Später diente er als Offizier unter dem General Element Thvmas, dessen Stab er beigegeben war und unter dem er die Legion der Seine und Oise orgcmisirte, die sich bei der Vertheidignng von Paris auszeichnete. Nach dem Kriege gehörte er zu den Mitarbeitern der RöxudlicM l?rg,n<M8g, wo seine Specialität die auswärtige Politik war. Auch schrieb er in dieser Zeit ein Buch über den Fürsten Bismarck, das ziemlich absurde Urtheile enthielt, nichtsdestoweniger aber, oder gerade deshalb viel ge­lesen wurde,*) 1876 debütirte er in der Kammer als Abgeordneter für Niort, welches er noch jetzt vertritt. Er schrieb sich in die Listen der reinen Linken ein und ließ sich gelegentlich über auswärtige Angelegenheiten vernehmen. Man schreibt ihm Geschmack und Kenntniß auf künstlerischem Gebiete zn. Er steht jetzt im 49. Lebensjahre.

General Campenon, der dem General Farre im Kriegsministerium folgt, ist ein strammer Republikaner. Stabsoffizier in der Zeit des Staatsstreichs von 1851, wnrde er verhaftet und des Landes verwiesen. Er begab sich nach Tunis und half dem Bey seine Armee reorganisiren. Indeß wurde ihm bald die Rückkehr nach Frankreich gestattet, wo er wieder ins Heer trat. Er diente darauf in Algier, in Italien und in China. 1879 war er Chef des General-

*) ?rmvs äs SismaroK. I)so»ux, 1876. Die Schrift lehnt sich an die von

Hesekiel veröffentlichten Briefe Bisnmrcks an.

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