Das Ministerium Gcunbotta.
377
Der gedachten Abstimmung ging eine Erklärung des neuen Ministeriums über seine Absichten und Ziele voraus. Darnach will Gambetta kein Parteiministcr souderu der Diener Frankreichs sein uud in dessen Namen eine Reihe von Veränderungen herbeiführen, welche, wie er behcmptet, die ganze der gegenwärtigen Gesetzgebung beschiedene Periode in Anspruch nehmen wird — eine Voraussagnug, die von zuversichtlichem Verträum auf die Dauer seiner eignen Macht zeugt. Er schreibt sich also die Aufgabe zu, die Wünsche und Anschauungen des Landes zn interpretircn und darnach zu handeln, und obgleich seine Interpretation mit seinen oft ausgesprochenen persönlichen Wünschen und Anschaunngen zusammenfällt, konnte sie, wenn man nur an die Mehrheit denkt, im ganzen richtig sein. Seil? Bestreben wird nach seinem Programm ein doppeltes Ziel im Ange haben: Stärkung der Republik und Ausstattung derselben mit demokratischen Eiurichtuugcu. Das sind zwar allgemeine Phrasen, aber in seinen Gedanken haben sie eine bestimmte Bedeutung, wie sich aus der ihnen folgenden Aufzählung der Maßregel» ergiebt, die jenem zwiefachen Zwecke dienen solle».
Die neue Negierimg will „allen Klassen des öffentlichen Dienstes Rcspeel, Gehorsam und Arbeit auferlegen," sie erwartet, „eine discipliuirte, rechtschaffene und loyale Verwaltung zu finden, ungefesselt durch persönliche Einflüsse nnd Bestrebungen, einzig von Pflichtgefühl und Liebe zum Staate beseelt." Das wäre das Ideal eines Beamteustcmdes, das freilich von der menschlichen Schwäche selten uud gerade in Frankreich bisher vielleicht am seltensten erreicht worden ist. Indeß kann es nichts schaden, wenn betont wird, daß die Regierung von ihre» nntergeordneten Gehilfe» viel verlangt, und daß sie scharf aufpassen wird. Die Beamteuhierarchie ist freilich groß, der Corpsgeist stark ausgebildet, nnd so kann es auch einem energischen Charakter wie Gambetta mit der Sache mißglücken wie andern Leuten vor ihm.
Nachdem der Minister anseiuandergesetzt, was man die Moral des KiAiul Niuistsrs nennen könute, zählt er in allgemeinen Ausdrücken die „Reformen" auf, die Frankreich nach seiner Behauptung verlangt. Es hat, sagt er, „den Wunsch kundgegeben, eine der bestehenden Gewalten des Landes dnrch eine weise bemessene Revision der Bestimmungen unsrer Verfassung mehr in Uebereinstimmung mit der demokratischen Natur unsrer Gesellschaft gebracht zu scheu." d. h. der Senat muß zu einer zweiten Ausgabe, zu einem Doppelgänger der Deputirteu- kammer gemacht werden. Hier mögen in der That einige Veränderungen erforderlich sein, aber wenn der Senat jedesmal, wenn er ein Gesetz verwirft oder wesentlich abändert, nmgestaltet werdcu soll, so wird diese Operation mit der Verwandlung desselben in eine bloß registrirende Behörde endigen, und statt dem Hunde den Schwanz stückweise abzuhacken, thäte man besser, es auf einmal und gründlich zu besorgen. Das Verfahren wäre weniger grausam und führte rascher zum gewvllten Ziele.
Frankreich wünscht weiter, wie man aus Gambettas Programm herauslese»