Glossen eines Deutschen im Auslande.
ihm? Ist er allem vorzeitig gealtert? Oder hat sich nur die Welt, in welcher er lebt, verwandelt, während dort drüben wirklich alles beim alten geblieben ist?
Derartige Betrachtungen werden gegenwärtig sehr häufig zwischen Deutschen ausgetauscht, welche sich auch im Auslande das warme Interesse am Baterlande bewahrt haben. Ich erinnere mich nicht, unter Männern, die dereinst selbst sich zu Theorien bekannt haben, wie die heute von der Opposition in Deutschland verfvchteuen, auch mir einen angetroffen zu haben, welchem das Verhalten der letztern Partei nicht völlig räthselhaft wäre. Sie glauben ihren Idealen so treu geblieben zu sein, wie irgend jemand, aber in andern Ländern diesseits und jenseits des Oceans lebend, zum Theil thätig eingreifend in das politische Leben constitutioneller oder republikanischer Staaten, haben sie zwischen Wesen und Form unterscheiden uud manches Mittel, welches sie dereinst für das einzig zweckmüßige hielten, anders beurtheilen gelernt. Sie haben die aus Deutschland mitgebrachte Schulweisheit, wo sie die Probe im Lebeu nicht bestand, über Bord geworfen und sich von der Erfahrung sagen lassen, daß es ebensowenig politische wie medicinische Arccmci giebt, welche man überall und zu jeder Zeit und gegen jedes Gebrechen anwenden könnte. Bis zu dieser Weisheit, zu der nichts gehört als gesunder Menschenverstand, scheinen es jedoch unsre alten Freunde und deren Adepten noch nicht gebracht zu haben. Ja sie proelamiren ihre Abneigung, sich durch Thatsachen belehren zu lassen — was sie Priueipicntreue nennen —, mit solcher Hartnäckigkeit und solchem Stolz, daß selbst derjenige Theil der ausländischen Presse, welcher die Solidarität der liberalen Parteien aller Länder vertritt nnd seinen Lesern viel von den heldenmüthigen Kämpfen der Herren Birchvw, Richter, Laskcr u. s. w. gegen die drohende Dictatur zu erzählen weiß, nicht selten da, wo es sich um eoncrete Fragen handelt, an der Gottähnlichkeit jener Führer irre wird. Demi fast überall hat man eben Gelegenheit gehabt, die Gemeingefährliche der Taktik kennen zu lernen, welche jetzt in Deutschland die fortschrittliche genannt wird. Von Herzen kommende Zustimmung aber bringen der deutschen Opposition alle diejenigen entgegen, welche Deutschthum und Deutschland gründlich hassen und daher wirklich Ursache haben zn verwünschen, was in den letzten zwanzig Jahren geschehen und geworden ist.
Hier kommt nun uns Fernstehenden offenbar zu Gute, was uns sonst hinderlich werden tvuute: daß die Zustünde der Vergangenheit noch deutlich in unsrer Erinnerung haften, und von jenen desto schärfer das Bild absticht, welches wir heute vor uns sehen, während die Daheimgebliebenen im Unmuth über die Sommerhitze weder des vergangnen Winters gedenken, noch des Segens, welchen die ihnen so lästige Sonne gereift hat.
Wie war unsre Jugend erfüllt von dem Sehnen nach einem großen Staatsmanne, welcher wieder zusammenfassen sollte, was deutsch wäre, ein Reich wiedererstehen lassen, das in sich geeinigt, mächtig und geachtet wäre nach außen! Und da die Wallfahrten »ach dein Kyffhünser kein Gehör erwirkte», fiel auf