Glossen eines Deutschen im Auslande.
as Bild der Vaterstadt behält in der Erinnerung dessen, der ihr entfremdet ist, immer die nämlichen Züge, mag er auch in der Ferne die Veränderungen und Neuerungen, welche sich dort vollziehen, so genau als möglich verfolge». Er sucht die längst um- „! gebanten Häuser ini Schatten des alten Kirchthurms, dessen Ein- ^urz ihm nicht unbekannt geblieben ist, und sieht noch immer die alte Postkalesche urch die Gassen rollen, obwohl der Ort längst seine Eisenbahn hat. Und so ^geht es ihm mit den Zuständen des Vaterlandes, wenn er in der Fremde nch angesiedelt hat. Ist er sich dessen bewußt, so wird er wohlbedacht sein, nicht in den Fehler jener politischen Flüchtlinge aller Zeiten zu verfallen, für Welche die Uhr stillstand und die natürliche Entwicklung stockte von dem Augenucke an, da sie die Heimat verlassen hatten, und welche oft zu spät oder niemals Eliten, daß die Lücke, die durch ihr Fortgehen entstanden war, sich geschlossen, aß andre Sorgen, andre Wünsche und Bedürfnisse die Zurückgebliebenen belegten, daß endlich neue Geschlechter au die Stelle ihrer Zeitgenossen getreten laren. Darum enthält er sich des Urtheils über Zustände und Vorgänge, welche ^ nicht aus eigner Anschauung kennen kann. Aber manchmal stellt sich ihm wi Bild gänzlich entgegengesetzter Art dar. Er bekommt den Eindruck, nicht an Dingen, aber an den Menschen in der Heimat sei die Zeit vorübergegangen. °hne Spuren zu hinterlassen. Er hört sie in den neuen „modernen" Häusern reden genau wie in den alten und altfränkischen; er sieht sie mit sechzig Jahren landein wie mit dreißig, sieht sie die alte Kirchthurmpolitik treiben, unbekümmert arum, daß mit jenem Thurm noch so vielerlei vom Boden verschwunden, daß vielerlei neues dafür erstanden und erwachsen ist. Liegt das wieder nur an Grenzboten III. 1881. 5ü