Die moderne Geschütz-Industrie,
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Ein englischer Schriftsteller bemerkt dazu: „Wenn mcm die ungemein geringen Metallstärken dieses Geschützes, namentlich in den: vorderen Theile des langen Feldes — nahe der Mündung — in Betracht zieht, so wird man dem großen Geschick, das in der Herstellung derartig zusammengefügter Rohre entfaltet wurde, seine Anerkennung nicht versagen können; trotz der Schwierigkeiten, welche die damals noch in ihrer Kindheit befindliche Metallurgie entgegenstellte, gezwungen, auf die Hilfsmittel der theoretischen Forschung zu verzichten und lediglich angewiesen auf ihren natürlichen Verstand und ein geduldiges empirisches Umhcrtasten nach dem rechten Wege, gelangten die einfachen Handwerker jener Zeiten dennoch zu einer Conftruction, die auch vor der Kritik der heutigen Wissenschaft noch mit Ehren bestehen kann, und lieferten Geschütze, deren Größe erst in neuester Zeit übertroffen worden ist," Demgegenüber wollen wir, ohne den Werth der Metallurgie irgendwie zu unterschätzen, doch nicht unterlassen anzuführen, daß in der Lehre von der Erzeugung und Behandlung der Metalle gerade dem Schmiedeeisen, so lange dasselbe auch schon in des Menschen Hand ist, immer noch offene Fragen anhaften, wie denn beispielsweise der so einfach erscheinende Schweißproeeß bisher noch keine gemeingültige wissenschaftliche Lösung erfahren hat, wovon die sehr eingehenden Verhandlungen über diesen Gegenstand im Verein znr Beförderung des Gewcrbeflcißes in Berlin Zeugniß geben. Man muß sich hier noch immer sehr an die Ergebnisse der Erfahrung halten.
Mit dem Entstehen der gezogenen Geschütze war die gleiche Forderung einer größeren Widerstandsfähigkeit der Rohrkörper, wie kurz vorher für die größeren Kaliber, so jetzt ziemlich allgemein gegeben, und nun trat die Privatindustric mit voller Kraft iu diese Sphäre ein und zwar sowohl mit dem Schmiedeeisen in vollendeterer Anwendung und Bearbeitung, wie mit dem Gußstahl, der besonders durch Krupp schon vielseitig bekannt geworden war.
Durchaus epochemachend war die Fabrikativnsmethode der Geschützrohre, welche in England Armstrong in den fünfziger Jahren begonnen hatte. I» einer Versammlung des Instituts der Civilingenieure, im Jahre 1860, hat er sie selbst, wie folgt, auseinandergesetzt: „Das Rohr besteht ganz aus Schmiedeeisen, und der hervorragende Zug der Verfertigung ist die Verwendung des Materials in der Gestalt langer Barren, die spiralförmig zu Röhren cmfgewuuden und dann geschweißt werden. Wegen der bequemern Anfertigung werden die Röhren zwei bis drei Fuß lang gemacht und nach Bedarf durch Schweißen mit einander verbunden. Von der Mündung bis zn den Schildzapfen wird das Nohr in einer Dicke, also in diesem Theile einem Gewehrlanf analog gemacht. Hinter den Schildzapfcn kommen noch zwei Schichten hinzu, von denen die äußere Schicht, wie die innere Röhre, aus spiralförmigen Windungen, die dazwischenliegende dagegen ans eisernen Platten besteht, die zu einer cylindrischen Form gebogen und an den Kanten geschweißt werden. Der Grund für diesem Unterschied ist, daß die dazwischen liegende Schicht hauptsächlich den Stoß am Grmzbotm III. 1881. 53