Die Entwicklung des Rechts in Deutschland.
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Dieselbe gilt wie in Frankreich, so in ganz Deutschland und den Provinzen des deutschen Rechts, in Siebenbürgen, Ungarn, Böhmen, Polen, Esthland, Livland, ja, wie es scheint, ist sie selbst nach Schweden hinübergedrungen. So war das Machtgebiet zugleich des fränkischen Jmmobiliarsachenrcchts und des fränkischen Prozeßrechts im Mittelalter ein außerordentlich großes; insbesondere wurde in ganz Deutschland das Land- und Lehnrecht, das Hofrecht, das Recht, welches über Eigen, Satzung, Leibzucht, Lehen und Leihe entscheidet, im Mittelalter frankonisirt.
Auch die Geschichte des ehelichen Güterrechts stellt sich als eine Geschichte der Ueberwältigung der deutschen Stammesrechte durch das Frcmkenrccht dar. Das eheliche Güterrccht in Schwaben und Baiern, wie es im zwölften Jahrhundert vorliegt, hat die altschwäbische und altbairische Gütertrennung aufgegeben und die fränkische Gütergemeinschaft aufgenommen. Nur Sachsen leistete dem Eindringen fränkischen Gütergcmeinschaftsrechts zäheren Widerstand, wurde aber gleichwohl in letzter Stunde nur durch die Rcception des römischen Rechts vor dem Heimfall an die fränkische Gütergemeinschaft bewahrt.
Allein trotz dieser Abweichungen vom fränkischen Recht in Sachsen, in Schwaben und Baiern gab es doch im mittelalterlichen Deutschland keine abgeschlossenen Stammesrechte mehr, sondern ganz Deutschland bildete ein einziges Nechtsgebiet: das des fränkischen Rechts. Die fränkische Reichseinheit hatte die Rechtseinheit Deutschlands zur Folge gehabt. Aber auch in Frankreich entfaltete sich im wesentlichen das gleiche Recht, und gerade das salische, d. h. das französisch-fränkische Recht war es, welches über die deutschen Stammesrechte siegte. Daher die Uebereinstimmung zwischen dem Sachsenspiegel und den Coutumes der Normcmdie oder in den Gewohnheitsrechten von Paris; Sachsenspiegel, Schwabenspiegel und die übrigen deutschen Rechtsquellen des Mittelalters enthalten überhaupt kein in Deutschland einheimisches Recht mehr. Das gesammte Recht des deutschen Mittelalters stammt im großen und ganzen von jenseits des Rheins. Die mittelalterliche Rechtsgeschichte in Deutschland ist deshalb die Geschichte der Reception des westfränkischen Rechts. Wie die übrigen großen geistigen Bewegungen des Mittelalters von Frankreich ausgingen und von da nach Deutschland hinüberwirkten auf den: Gebiete der Kirche, des Ritterthums, der Baukunst, so trägt auch das mittelalterliche deutsche Recht französischen, man kann fagen gothischen, d. h. nordfranzösischcn Stil. „Die Geschichte des Mittelalters ist die Geschichte der Sättigung des deutschen Geistes mit französischem Geist."
Auch nach England nahmen die Normannen das nordfranzösische Recht mit. Auch hier wurde das vorgefundne angelsächsische Recht ausgerottet. Das normannische Königsgericht und die von demselben ausgehenden Missalgerichte verbreiteten mit der nordfranzöfischen Rechtsprechung nordfranzösisches (normannisches) Privatrecht, Proccßrecht und Strafrecht über das ganze Land. So Grmzbotm III. 1381. 52