Shakespeare in Frankreich.
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Nicht minder wichtig war die Anerkennung, die Shakespeare in der Eu cyclopädie fand. Ueberhaupt sprach sich Diderot stets nur für Shakespeare aus, wie er z. B. später Lctourneur gegen Grimm in Schutz nahm. Daß der erbittertste Gegner Voltaires, Frvrou, sich gleichfalls für Shakespeare erklärte, hat zwar nur geringe moralische Bedentnng, wirkte aber doch mit. Zu diesem allen kam der Enthusiasmus, welchen der große Schauspieler Garrick schon länger für Shakespeare in England wieder von der Bühne herab erregte und welcher ebenso wie die Begeisterung der ueuesten cuglischeu Benrtheiler des Dichters nach Frankreich hcrüberdrang. Das Urtheil des besonnenen Johnson: „Alle die, welche Shakespeare die große Natur und die Superioritcit des Geistes abzusprechen vermögen, können nur kleiue Geister sein," mußte einen Mann wie Voltaire, der sich für den Gesetzgeber des Geschmacks von ganz Europa hielt, aufs tiefste verletzen. Auch mochte er fürchten, von dem zuuehmenden Glänze des britischen Dichters zuletzt selber verdunkelt zu werden; und richtig war es allerdings, daß, wen« mau in Zukunft den Maßstab der Beurtheilung von Shakespeare nahm, das gauze classische Drama der Franzosen, das seine mit eingeschlossen, in den Hintergrund treten mußte. Die geringen Erfolge, die Voltaire in letzter Zeit auf der Bühne erzielte, trugen ebenfalls dazu bei, ihn hierin bedenklich zu machen. Gleichwohl hatte sein wachsender Groll sich bisher nur gelegentlich in leisem Murren Luft gemacht. Je mehr er ihn aber zurückgedrängt hatte, um so heftiger sollte er endlich hervorbrechen. In einem Briefe an Horaee Walpole vom 15, Juli 1768 vertheidigt er sich uvch gcgeu das Unrecht, welches ihm durch die Behauptung zugefügt werde, daß er Shakespeare verachte. Er zählt alles auf, was er für dessen Verbreitung in Frankreich gethan. Der Schluß bleibt freilich auch hier, wie immer, derselbe. Seine Tragödien siud ihm ein ChavS, aus dem nur gelegentlich Hunderte von Lichteru hervorblitzeu. Aber schvu der Us8g.i sur 1s Föniv ot lös oerits clo LlliiKösxsarc; von Lady Montaguc (1769), die seine Urtheile zu widerlegen versuchte, reizte ihn sehr. Als aber 1776 die neue Uebersetzuug der Werke Shakespeares von Letourncur mit einer diesen über alle französischen Tragiker stellenden Einleitung erschien, hielt er sich nicht mehr zurück. „Haben Sie — schreibt er am 19. Juli nn d'Argental — die zwei Bände jenes Elenden gelesen, in denen Shakespeare als das einzige Muster der wahren Tragödie aufgestellt wird? Er nennt ihn den Gott des Theaters. Er opfert seinem Ideale alle Franzosen ohne Ausnahme. Er hält es nicht einmal für der Mühe werth, Corneille, Raeine zu nennen. Diese beiden großen Männer schließt er in die allgemeine Verwerfung mit ein. Giebt es Wohl einen Haß, der stark genug wäre für diesen schamlosen Tropf? Ist der Schimpf wohl zu dulden, den er Frankreich zugefügt hat? Das Blut kocht in meinen alten Adern, da ich davon spreche, denn das Furchtbare ist, daß das Ungeheuer in Frankreich eine Partei hat nnd daß ich es gewesen bin, welcher zuerst von diesem Shakespeare gesprochen, der den Franzosen zuerst eiuige Perlen