Aus Christian Gottfried Aörners Reisetagcbuchorn.
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unternahm nnd welche ihn durch Deutschland und Holland nach England und wiederum durch Holland und Deutschland nach der Schweiz und Frankreich führte. Die erhaltenen Bruchstücke von Körners eigner Hand, als „Tagebuch einer Reise durch Holland, England, Schweiz und Frankreich" überschrieben, bei den vcr- schiednen Handschriften des Dresdner „Körner-Mnsenms" bewahrt, eignet sich, liternrisch betrachtet, keineswegs zu einer vollständigen Mittheilung, obschon auch eine solche überall die Tüchtigkeit, den lebendigen Blick, die Vielseitigkeit der Interessen des damals erst 27jährigen vr. M. und Leipziger Privatdoeentcn bestätigen würde. Aber immerhin ergeben einzelne Mittheilungen ans der Handschrist interessante kleine Bilder aus der guten alten Zeit nnd manchen Vergleich mit der Gegenwart, der nnr in einem Punkte, freilich in einem Hauptpunkte, in der frischen harmlosen Genußfähigkeit, zum Nachtheil unsrer Tage ausfällt. Ueber das Gesammtresultat seiner Reise berichtet Körner in einem der ersten Briefe an Schiller (Dresden, den 2. Mai 1785): „Nun kam die Gelegenheit zn reisen. Sie kam plötzlich und ich reiste unvorbereitet und ohne besondern Zweck. Ich hatte mir das Reisen überhaupt als etwas wünschenswerthes gedacht, und anfangs war mein Gedanke, so viel Vvrtheil davon zn ziehen wie möglich. Aber dazu war ich zu sehr Neuling in der Welt. Ich verweilte bei einzelnen Gegenständen, die ich noch nicht gesehen und gehört hatte, und überließ mich zu sehr dabei meinem Hange zum Nachdenken, um einen großen Vorrath von Erfahrungen und Kenntnissen einzusammeln. Ich brütete oft noch über Bemerkungen, die die Ereignisse des vergangnen Tages veranlaßt hatten, wenn ich auf einen neuen Gegenstand meine Aufmerksamkeit richten sollte. So geschah es, daß ich zwar kein reichhaltiges Tagebuch von meinen Reisen mitbrachte, aber meinen Beobachtnngsgeist hatte ich geschärft, meinen Geschmack mehr gebildet und besonders meine Begriffe über menschliche Fertigkeiten erweitert."
Die ersten Stationen der Reise gewährten dem Grafen und dem Leipziger jungen Gelehrten eine Reihe von Eindrücken, welche uns die übergroße Mannich- faltigkeit und die mit ihr verbnndne Reihe schlimmer Möglichkeiten im damaligen Reiche mit wenig Worten vor Augen stellen. Die Auszeichnungen Körners beginnen am 1. Oetober 1779 in Eisennch. Schon am nächstfolgenden Tage in Vacha (Körner schreibt „Fach"), einem „übel gebauten armseligen Ort," hat er Gelegenheit zu ein paar eulwrhistorisch interessanten Bemerkungen. Vacha „scheint halb ausgestorben, die gegenwärtige Entfernung der hessischen Soldaten benimmt diesem Orte die wenige Nahrung, welche er sonst hatte." Die tapfern Hessen waren eben von ihrem Landgrafen nach Amerika verkauft worden, nnd mit ihnen genng Nichthcsscn. In demselben „Vach", das Körner so ausgestorbcn fand, griffen ^enig später die hessischen Werber den dort übernachtenden Seumc auf. „Hier übernahm trotz allem Protest der Landgraf von Kassel, der damalige große DcV'nschcnmätlcr, durch seine Werber die Besorgung meiner fernern Nachtquartiere "ach Zicgeuhahn, Kassel uud weiter nach der neuen Welt" erzählt Seume in den: