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Alfred Meißner :
(Schluß.)
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Alfred Meißner.

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Schallplatze gelebt, unermüdlich beobachtet, nach allen Seiten geblickt nnd ge­fragt, die Urtheile abgelvvgen, mit einem Worte die politischen Pnlsschläge seiner Zeit genau verfolgt haben, um so widerstrebende Elemente, so ungleich­artige Verhältnisse, wie sie sich hier darboten, zu einem umfassenden, in seinen Umrissen scharfgezeichneten und iu seinem Detail naturgetreuen Bilde gestalten und in einen künstlerischen Rahmen drängen zu können. Es ist, wie sich das Werk im Vorworte selbst ankündigt, ein politisches Zeitgemälde, ein Bild Oester­reichs von 1850 bis zu Beginn der sechziger Jahre. Der politische und ge­schichtliche Stoff ist darin poetisch und Spannung erregend mit dem romantischen verwvben nnd dadurch in die lichtvolle Sphäre der Poesie gerückt. So er­reicht der gute Roman sein Ziel, dem die trockene Geschichtsschreibung nur mühsam nachhinkt; wir sehen ein volles Bild der Zeit, ihrer sich gegenseitig bekämpfenden Elemente, ein Bild ihrer Menschen mit ihren Leiden nnd Kämpfen. Der Autor verfolgt die ihm ästhetisch zugewiesene Aufgabe, an den Conflicten des Privat­lebens zu zeigen, wie verzweifelnd einerseits die Fäulniß der öffentlichen Zu­stände in die engsten Kreise des Hauses und der Familie eindrang, wie andrer­seits sich edlere Gemüther zum Kampfe gegen solche Zustände aufrafften und glücklich oder unglücklich im Kampfe bestanden, lvie das nach unten und nach oben verderblich wirkende Mißtrauen, das Denuncianten- und Verdächtignngs- system die besten Sohne des Reichs den schlechtesten zur Beute gab. Dieser und noch manch andrer geschichtlicher Stoff ist in den romantischen hinein- gcwoben, daß die Gestalten nach den Worten des Dichterswie ein erleuchtet Alphabet" vor uns stehen, uns die innere Natur einer ganzen Geschichtsperiode zu erklären.

Drei Hauptfiguren sind es, welche den Mittelpunkt des Gemäldes ein­nehmen, um welche sich eine Fülle von Typen und charakteristischen Figuren grnppirt. Bruno Haldenried, der geächtete, flüchtige Kämpfer für Volksrechte steht dem Grafen Thicboldscgg gegenüber, dem Vertreter der herrschenden Partei, welche aber ihren Sieg mit schweren Opfern erkauft hat. Zwischen beiden er­scheint die feine, poetische Gestalt der Comtesse Cornelia. Dieselbe tritt in das Schicksal Brunos, von demselben nicht erkannt, wirkend ein. Die zweite Ab­theilungAns der Emigration" führt uns in das Paris des Staatsstreiches, wo wir alle Hauptpersouen nebst einigen untergeordneten politischen Typen wiederfinden. Die Vertreter der italienischen Revvlutionspartei, darunter haupt­sächlich Chevalier Ncgrvui mit seiner geheimnißvollcn Schwester Atalanta. tue Demimondewelt und die Orsinis, Champagner- und Blutgeruch m eumnder überfließend, Kaiser Napoleon, eine Welt für sich - man hat Mühe die Fülle des Materials zn fassen. Mit großer Sachkenntniß sind die Machinationen der Ws zum Aenszersten entschlossenen Actionspartei geschildert. Negronis Gefangen- nchmung. seine nnfreiwillige Audienz beim Kaiser, sein Tod sind Seenen von gewaltigem dramatischen Interesse.