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Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter :
(Fortsetzung.)
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Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter. 147

sitzern des halbe» Wergcldes je zwei den tüchtigeren ausnisten, die Besitzer von 1V Solidi und mehr den Wachtdienst übernehmen, noch ärmere aber ganz vom Dienste befreit sein sollen. Das Zusammenwirken mehrerer zur Aufstellung eines Kriegsmnuns, das Adjutorium, zeigt sich aber allerdings seit dem Aachener Capitnlar als dauernder Brauch. Kaiser Lothars Aufgebot gegen Corsieci (825) unterscheidet z. B. drei Klaffen von Freien, deren erste diejenigen Männer um­faßt, welche wohlhabend genug sind, selbst auszurücken, während in der zweiten Klasse sich mehrere nach dem Urtheile der Grafen zum Adjntorium vereinigen sollen, indeß die letzte Klasse, nach alter, von den pflichttreuen Grafen zu be­obachtender Gewohnheit, der Armuth wegen überhaupt nicht herangezogen werden darf. Ganz ähnlich sind die Anforderungen einer um wenige Jahre jüngeren Jnstruetion für die mit der Anfertigung von Stammrollen beauftragten misst Kaiser Lothars. Immer ist der Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht gewahrt; sogar der völlig arme ist nicht an und für sich dienstfrei, sondern die Leistung wird ihm nach dem Ermessen des Grafen in jedem einzelnen Falle besonders erlassen. Ein heerbannpflichtiger Vater darf sich durch seineu tüchtigeren Sohn vertreten lassen; hat der Vater jedoch mehrere Söhne, so darf nur einer und zwar der mindestbrauchbare beim Vater zurückbleiben. Es ist eben nicht der Besitz, welcher den freien Mann zum Dienste verpflichtet, sondern der Unter­thanenverband, der Fidelitätseid, den er dem Könige geschworen; der Besitz er­möglicht nnr die Pflichterfüllung.

Dies sind die rechtlichen Bedingungen. In der Praxis freilich stellten sich die Angelegenheiten wesentlich anders; da wurde denu doch der Besitz und insbesondere der Grundbesitz, trotz allem, naturgemäß zur Grundlage der wirk­lichen Leistung. Das zeigt sich deutlich z. B. darin, daß zwei oder mehrere Brüder es oftmals vorzogen, ihr Erbe nicht zn theilen, damit uur einer als Eigenthümer gelte, uur eiuer ins Feld zu ziehen brauche. Ein Capitnlar Lothars vom Jahre 825 verbietet das; aber der eingerisseue Mißbrauch lehrt doch, daß mau thatsächlich nnr den Besitzer nnfzubieten pflegte. Dasselbe ergiebt sich ans einem andern Schliche, der angewendet wnrde, nm dem Dienste zu entgehen: von zwei Brüdern ward der eine Mönch und dndnrch dienstfrei, und nun weigerte sich auch der andre des Heerbannes, weil der Mönch Besitzer des väterlichen Erbes sei, er selbst aber nichts habe, wovon er dienen könne. Auch hier also erscheint das Grundeigenthum als natürliche Bedingung der Leistung. Uebrigens scheint doch auch Karl der Große schon den Gedanken verfolgt zn haben, so weit es möglich sei, die Kriegsdienstpflicht deS Freien nn eine gewisse Größe des Grundbesitzes zu binden; aber allgemeine Bestimmungen für das gauze Reich, ja auch nur für größere Landgebiete, konnten in einem so weitansgedehnten Complex überaus verschiedener Culturen nicht das richtige Verhältniß treffen. Unverkennbar haben auch Karl wie seine Nachfolger den m-Msus selbst in seinem Bestände schützen, nur das bewegliche Vermögen zur Bezahlung des Heerbannes