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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben : 2. Eine offene Frage.
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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.

Mit wem?"

Schnute und Walker jci sv, das wissen Sie nicht; so pflegten wir unter uns zu sagen, ich meine Schaufuß uud Walter/'

Mein armer Freund Rudolph, dem schou während des Berichtes fatale Er­innerungen aufgestiegen waren, hatte die Einpfindnng, als wurde ihm ei» Eimer heißes Wasser ins Gesicht gegossen. Er erinnerte sich jetzt des Falles, nnd daß er aller­dings alle Mittel aufgeboten hatte, diesen Menschen, der ihm als frecher Querulant dargestellt worden war, unterzukriegen. Uebrjgens hatte er dabei auch nur sein eignes Recht gewahrt. Was ging es ihn an, wenn einer durch eigne Verschul­dung sich unglücklich machte? Dieser Mensch, dem er noch dazu Wohlthaten er­wiesen hatte, stellte ihn nun als Ungeheuer und Blutsanger dar!

Mensch, schämen Sie sich nicht, so etwas zu sagen?"'

Es ist doch die Wahrheit."

Neiu, es ist nicht wahr. Haben Sie uicht 150 Mark Abfindung bekommen?"

Woher wissen Sie denn das? Ja freilich, am Ende hieß es, ich sollte mich abfinden lassen. Sie boten mir fünfzig Thaler. Was wollte ich machen, ich war fertig nnd hatte nichts mehr zu leben, da habe ich das Geld genommen. Es hat mich vierzehn Tage gereicht."

Also verschwendet haben Sie es."

Es ist wahr, es ging ein bischen schnell zu Ende, aber ich wußte doch nnn, was ein Mensch mit Leib und Leben werth ist. Ich habe mirs ausgerechnet, passen Sie einmal auf: 12 Jahre Arbeit die Woche 15 Mark, dazu 50 Thaler Abfindung nnd 20 Thaler Kurkvstcn, macht 3170 Thaler; das ist gerade soviel, wie eiu paar gute Kutschpferde kosten, den Hafer nicht mit gerechnet."

Aber was wollen Sie denn weiter, wenn Sie Ihre Bezahlung gekriegt haben?"

Einen Strick, Herr, um solche Bcttelsäcke wie, uusereius aufzuhängen. Denn das bischen Almosen, das die Stadt giebt, ist nur zum Verhungern." Weil Sie es in Branntwein vertrinken."

Vertrinken? Ja was soll man denn weiter damit anfangen? Das bischen Schnaps ist noch das einzige, was man vom Leben hat. Und Sie denken Wohl, ich bins allein? Es giebt ihrer genug, die gerade sv weit gekommen sind wie ich. Fragen Sie mir auf den Landstraßen nach. Wissen Sie was? Die sollte man phutographiren lassen und den Herren an die Hänser kleben, das müßte sich aus­nehmen wie das Haus des Sultnu von Dcchome, das sie mit Menscheuknocheu garuirt haben solle«. Na, nichts für ungut."

Freund Schaufnß svraug auf uud verließ in höchster Entrüstung die Stube. Von der Tiefe solcher Gemeinheit hatte er bisher keine Ahnung gehabt. Aber merkwürdig- er konnte eine Vorstellung nicht los werden, das war das Bild seiner eignen Fabrik, aber nicht die Vorderseite mit der goldglanzendeu Firma, sondern jener Winkel hinter dem Maschinenhause, wo Müll, Schutt, altes Eiseu uud der­gleichen abgelagert wird. Er war vou jeher ungern dorthin gegangen; jetzt quälte ihn die Vorstellung, daß es mich für das Menschcnmaterial solche Schuttwiukel gebe.

Dieser Brand war in der That ein ganz verkommeues Subject, sein Ver­schulde» lag offenbar zu Tage, er war keineswegs ein bemitleidenswerther Un­glücklicher. Er hatte nichts gelernt, er hatte für böse Einflüsse jederzeit ein offnes Ohr gehabt, er hatte seine physischen nnd geistigen Kräfte in unsinniger Weise ver­schwendet, niemand brauchte sich Vorwürfe seinetwegen zu macheu. Er war das Resultat ungünstiger Verhältnisse, die nvtabenevon jeher nicht anders gelegen