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steine kann des andern zu seiner Existenz entbehren; ohne die Monarchie und das Deutschthum aber würden dort sehr bald ähnliche Zustande des Zerfalles eintreten wie weiter nach Osten in der Türkei.
Es ist unmöglich, die wahren Aufgaben und Probleme des Staatslebens vom Standpunkte irgend einer einzelnen einseitigen Parteidoetrin aus zu erledigen. Der echte und schöpferische Staatsmann wird überall den gerade bestehenden und angenfällig vorhaudnen Verhältnissen vorauseilen und die weiterhin kommenden Ziele, Bedürfnisse und Gefahren der Lage im Auge behalten müssen. Die Parteien aber rechnen in der Regel nur mit dem, was gerade da ist nnd was sich in die bisher geltenden Prineipien und Erfahrungssätze einordnen läßt. Der Staatsmann, der wirklich am Ruder sitzt, sieht die kommenden Anfgabeu und Gefahren der Regel nach wahrscheinlich besser, als dieses durch die Brillen und Ferngläser der ihn umstehenden, an der Führung des Schiffes nicht direet betheiligten Passagiere geschehen kann. Den rechten Mann zur rechte» Zeit ans Ruder zu bringen, ist überall die Hauptsache im Leben, nnd statt alles uuberufneu Dreiuredens ist es Pflicht, ihn nach Möglichkeit mit Vertrauen zu untcrstntzen. Es gilt jetzt aber in der That neue Lösungen für die hervortretenden Aufgaben und Probleme des nationalen Lebens zn finden. Die wirkliche Noth ist da uud tritt von iuuen und von außen her fortwährend in bestimmten Symptomen an uns heran. Die Kurzsichtigkeit der Parteien aber kommt über ihren bloßen programmmäßigen Formalismus und über die sich ewig wiederholende Oede ihres Wortgefechtes nicht hinaus. Es ist auch eine bekannte Thatsache, daß der Mensch zu allem wirklich neuen und guten in der Regel erst hat gezwungen werden müssen. Das Dogma von der Unfehlbarkeit und dem sogenannten Jnstinete der Massen ist ein vollkommen falsches. Das wahrhaft neue ist stets etwas, was außerhalb der Grenze der augenblicklich bestehenden und herrschenden Ansichten, Meinungen oder Vvrurtheile liegt. Auch darüber, ob der gegenwärtige, auf der Basis des allgemeine« Stimmrechts rnhende Parlamentarismus die wahre Form des Staatslebens sei, wird man in Zukunft vielleicht uoch anders urtheilen als jetzt. Die wahre Pflicht der Bethei- lignug des Bürgers am öffentlichen Leben wird nicht durch einen bloßen Gang an die Wahlurne erschöpft. Unser ganzes Staatsleben ist weder der Form noch dem Inhalte nach wahrhaft ausgebildet und fertig zn nennen. Der wahrhafte Zweck des Staates aber liegt nur im Individuum oder in der materiellen, geistigen und sittlichen Wohlfahrt und .Hebung seiner Bürger. Aller äußerliche Apparat des Wohlstandes »nd der Bildung aber kann uus nicht verblenden, weder über die materielle Noth, noch über die geistige und sittliche Rohhcit, au der die gegenwärtige Gesellschaft in weitem Umfange leidet. Auch hier wird mit deu gewohnten und Hergebrachten Mitteln auf die Dauer nicht mehr auszukommen sei». Der wirkliche Mensch und der wirkliche Staat ist durchaus ein andrer, als er von irgend einem abstraeten Standpunkt aus