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Erinnerungen an Heinrich Leo : zum zweijährigen Todestage Leos, den 24. April.
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Erinnerungen an Heinrich Leo.

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sie mit Bewußtsein stattfände, nur eine Heuchelei einer Weltgeschichte, nicht diese selbst." An dieses Werk schließt sich der Leitfaden in der Universalgeschichte, (Vier Bände. Halle, 1838-40). In den Vorlesungen über die Geschichte des deutschen Volkes und Reichs (Fünf Bände, Halle, 18S4 ff.) soll (I, Seite 4) ein Gedanke die ganze Reihe der Vorlesungen begleiten, nämlich der, daß alle geschichtlichen Processe ihren Charakter zugetheilt erhalten aus dem innersten geistigen Leben des Menschen heraus.

Alle Werke Leos bekunden ein großes Talent, auch den umfangreichsten Stoff übersichtlich zu gestalten und ihn mit bestimmten Ideen zu beseelen. Leo hat aber nicht bloß durch seine Schriften, sondern auch durch engere persönliche Beziehungen und Einwirkungen nachhaltigen Einfluß auf jüngere Leute ausgeübt, denen er sein gastliches Haus öffnete. Er verstand hier in traulichem Gespräche das höchste Interesse für die Ideen in Religion, Wissenschaft und Kunst zu er­regen. Der Mann, welcher seine Schärfen und Härten hatte, bewies gegen strebsame junge Männer eine rührende Güte nnd hilfreiche Hingebung. Mit der größten Bereitwilligkeit und ohne peinliche Rücksicht auf etwa dringende Arbeiten oder Geschäfte hat er viele, welche sich an ihn vertrauensvoll wandten, in ihren be­sondern Studien mit Rath und That gefördert. Ich habe solche Gunst von ihm erfahren und muß sie mit dem treuesten Herzen dankbarst anerkennen, selbst nach« dem mich das Lebensschicksal gegen seinen wohlwollenden Plan einer andern Be­rufsthätigkeit zuführte. Als Student suchte ich von Göttingen aus Leo in Halle auf, um wegen vielfacher Belehrung aus seinen Werken meine Dankbarkeit persönlich kund zu geben. Er gewährte den: Fremdlinge wochenlang eine über alle Erwarten liebevolle Aufnahme. Als ich ihm später für die gewinnreiche Unterhaltung, wie für den gemüthlichen Verkehr in seinem Hause schriftlich dankte, schrieb mir Leo am 8. Juni 1835 den ersten nachfolgenden Brief:

Abgesehen davon, daß ich in einer Zeit, wo unbefangene Verhältnisse von Menschen zu Menschen nachgerade eine Seltenheit werden, es für eine Sünde halten würde, Beweise von Vertrauen nnd Liebe, die mir gegeben werden, nicht in jeder Weise werth nnd theuer zu halten, hat Ihr Erscheinen hier bei mir, hat Ihr Brief für mich noch eine ganz eigenthümliche Wirkung hervorgebracht. Als ich Student war, iu den Jahren 131620, war noch die ganze alte Unbefangenheit des deutschen Universitätslebens vorhanden, während durch die vielen aus den Feldzügen zurück­gekehrten Studirendcn die früher mit dieser Unbefangenheit oft verbundene Kinderei oder Ungcschlachtheit auf einige Zeit fast ganz verschwand. Die Haltung, welche die vielen, früher als Offiziere in selbständiger gesellschaftlicher Stellung gebildeten Studenten in das ganze akademische Leben brachten, erzengten zn allen Professoren und auf den meisten Universitäten zu einen: Theil der Professoren eine trauliche Beziehung, durch welche ein sehr schönes Bewußtsein auf die Kreise der Zuhörer Grenzdotcn II. 1881. 28