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Ein Jugendfreund Goethes : Ernst Wolfgang Behrisch (1738-1809). (Schluß.)
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Lin Jugendfreund Goethes.

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Kolina entsprechen größtcnthcils der Goethischcn Fassttiig in Werthes Leiden. Von Fingal in Lochlin" undJnamornla" sind bis jetzt nur die eingelegten Gesänge zu finden gewesen. Besonders gerühmt wird die Mnsik zu dem in tiefen Schmerz getcmchtcn Monolog der gefesselten Kombaua:Torkul, mit Locken des Alters," die vr. W, Ruft ein Meisterstück declamatorischen Gesanges nennt, das in seiner ernsten, fast rauhen und finstern Weise die Poesie des Nordens in nnübcrtrefflichcr Weise wicdergiebt. Man wird kaum irren, wenn man die damalige Vorliebe der dichterischen nnd musikalischen Production in Dessau für Ossiau mit Goethes Be­suchen (177ö, 1778, 1781) zusammenbringt; hatte schon die Lectüre von Werthers Leiden überall für Ossian begeistert, wie mußte es die persönliche Erscheinung des Dichters selbst. Erwägt mau die Beziehungen Goethes zu Behrisch und durch diesen zn Ruft, der u, a, auch znerst GoethesDer dn vom Himmel bist" in Musik setzte, so ist der Gedanke, daß Goethe selbst den genannten theatralischen Werken nicht fern gestanden, durchaus nicht schlechthin abzuweisen.

Um diese Zeit der erwachenden Poesie in Dessau mag es auch gewesen sein, daß Behrisch der Fürstin eine Auswahl seiner Lieder überreichte. Das Geschenk selbst ist bis setzt nicht aufzufinden gewesen, doch besitzen wir noch in Bchrischs Handschrift das Widmnngsgedicht.

An

meine Lieder als sie Jhro der Fürstin Hoheit überreicht werden sollten. Was fürchtet ihr, ihr kleinen Lieder? Geht nur getrost auf euren Ruf

Uud glaubt, mit Lächeln blickt auf euch die Fürstin nieder,

Aus deren Worten ich einst euer bestes schuf*)

Ja, Ihre Huld nnd Ihres Gatten Güte

Entwölkte das voll Gram benebelte Gemüthe,

Goß Leben und Gefühl in mein crstorbncs Herz;

Der es verschlossen hielt, entfloh, -- der stnnimc Schmerzt)

Ich lernte wiederum empfinden,

Und zu Empfindungen bald wieder Töue finden.

So treibt mit sanfter Macht die milde Friihlingssouuc

Den Winter von der Flur,

Und welket zu Gefühl und Wonne

Die schlummernde Natur.

Daun duftet wiederum die Rose,

Dann rauschet uuS der Wasscrfall,

Dann horchen wir auf zartem Moose

Dem Liede einer Nachtigall.

*) Das Hirtenlied, welches bei einem reizzendcn ländlichen Feste gesungen ward, das Ihre Hoheit für Ihren Gemahl in Wörlitz anstellten.

**) Deu Schmerz über die Vernichtung einiger gegründeter Hosnungen, nnd manchen einem empfindlichen Herzen wichtigen Verlust.