Beitrag 
Neue Dramen.
Seite
132
Einzelbild herunterladen
 

132

Neue Dramen,

Situationen, daß sie selbst aus einer mittelmäßigen eonventionellen Darstellung heraus ergreifend zu wirken vermöchten. In der Stoffwahl begegnen wir buntester Mannichfaltigkeit. Aus der germanischen Geschichte des frühesten Mittelalters sind die TragödienKönig Roderich" von C. G. Ritter (Verlag von C> G. Naumann in Leipzig) undDie Tochter Theodorichs", Trauerspiel in fünf Aufzügen von Carl Carv (Wien, Verlag von L. Nosner) geschöpft. Die letztre, eine dunkle Episode der Ostgothengeschichte gestaltend, schließt sich in ihrem Auf­bau und ihrem Stil der giltigen Jambentragödie an, enthält einzelne energische und interessante Seenen und wäre jedenfalls lim der Gestalt der Amalasunth willen des Versuchs einer Vorführung werth. Die erstre behandelt den Unter­gang des letzten Westgothenkönigs und den vielbenutzten Verrath des Grafen Julian. Das Motiv der Handlung ist hier insofern neu, als König Roderich als phantastisch willkürlicher Phantasiekönig dargestellt wird, der unfähig ist, seine persönlichen Launen und Neigungen zum Besten des Staates und Volkes, das er lenkt, zu beschränken. Was uns an den Figuren und dem Verlauf der Hand­lung interessiren kann, wird durch die sprachliche Form freilich wieder in Frage gestellt. Der Verfasser will mit den fünffüßigen Jamben auf unsrer Bühne brechen. Er hat seine Gründe hierfür in einer eignen Schrift,Theorie des deutschen Trauerspiels" entwickelt und manches beherzigenswerthe gesagt. Aber freilich,König Roderich" überzeugt nicht, es ist eine seltsame Unruhe, Sprnng- haftigkeit und Willkürlichkeit im Ausdruck dieser Tagödie, welche deu Gewiuu bewegterer und mannichfaltigerer Form zunächst als sehr zweifelhaft erscheinen läßt.

Einen oft gewählten, nie mit sonderlichem Glück gestalteten und dennoch immer wieder anziehenden Stoff behandelt Hans Herrig in seinem Trauerspiel Konradin" (Berlin, Fr. Luckhardt). Die dramatische Erfindung und der Auf­bau lassen hier manches zu wünschen übrig, aber es ist poetische Stimmung in dem Ganzen, deren Werth wir nicht gering anschlagen wollen. Der Dichter hat sich bei reicher Phantasie uud lyrischer Begabung vor jener lyrischen Fülle zu hüten, die dem Drama einen Reiz nimmt, statt ihm einen solchen zu geben, die Empfindungen des Schinerzes und der Liebe sind selten so wortreich, wie in dem Abschied zwischen Maria und Konradin im zweiten Aet.

Der spätern deutschen Geschichte gehört das TrauerspielDietmar von Lewen" von Max Lündner (Vühnenmanuseript) an. Was in andern neuern Tragödien des Guten zu wenig gethan ist, erscheint hier zu viel gethan. Ein Rache- und Ehrgeizmotiv^ mit welchem Dietmar von Lewen, der Kanzler des Herzogs Bogislaw von Pommern, von Verbrechen zu Verbrecheil schreitet, um am Ende seinen Fürsten, dessen Haus und sich selbst zu verderben, entbehrt nicht einer gewissen Kraft uud Einfachheit. Aber die Fäden, an denen Dietmar von