Neue Dramen.
u den alten Leiden, über welche im Bücher überflutheten Dcutsch- lcind die Herren Recensenten klagen, gehören die zahllosen jahraus jahrein gedruckten dramatischen Dichtungen von völliger Nichtigkeit und Bedeutungslosigkeit. Sicht man näher zu, so stellt sich freilich heraus, daß die hohe Kritik sich von bezeichneten Leiden nicht allzu schmerzlich berühren läßt. Sie schichtet die Dramen bei den in gleicher Anzahl vorhandncn und fast gleichmäßig ignvrirtcn lyrischen Gedichten auf und läßt die unbesprochncn einer fröhlichen Urständ harren. Aller Jubeljahre einmal ereignet sich dann ein Wunder — durch irgend welche Anstrengungen und Einflüsse gelangt eines der bei Seite geschobuen Dramen (wie in den letzten Jahren Arthur Fitgers Tragödie „Die Hexe") zur erfolgreichen Aufführung und nun beeilt man sich, den poetischen Werth desselben nachträglich festzustellen. Jede Zeit hat ihre eigenthümliche Phraseologie: die unsrige die der Brutalität. Weil es so viel leichter ist, verächtlich alles bei Seite zu schieben, was sich nicht durch absoluten Werth oder durch Zufall und Clique zu besondrer Berücksichtigling verhilft, weil die Mühe, den Spuren wirklichen Talents, lebendiger Gestaltungskraft im Gewirr so vieler hohlen, nichtigen und bis zum kindischen unreifen Pro- ducten nachzugehen, keineswegs eine erfreuliche ist, zieht mau es vor, die abgebrauchte und längst sinnlos gewordnc Unterscheidung von Buchdrmneu und Bühnendramen dergestalt anzuwenden, daß ^jedes uicht aufgeführte Werk zum vornherein als werthlvs charaktcrisirt erscheint.
Die „Bnchdramen" sind wahrlich nicht die einzige Erscheinnng, bei welcher die innern Widersprüche nnd die Gedankenlosigkeit der zeitgemäßen Kritik zn Grenzbotcn 11. 1381. 17