Beitrag 
Altenglische Dramatiker.
Seite
513
Einzelbild herunterladen
 

513

Theater" dieSpanische Tragödie" Kyds mit demWeißen Teufel" Websters. Das letztre Werk zeigt deutlich noch die Nachwirkung der dunkel-unerfreulichen Welt- betrachtnug, die in der vorhergehenden Generation den Dramatikern eigenthümlich oder ihnen aufgedrängt war. Wir haben hier wie bei Kyd, bei Marlowe die wildeste Rücksichtslosigkeit, mit welcher die meisten Charaktere ihren Neigungen, Trieben, Gelüsten und Leidenschaften folgen. Und doch, um wie viel psychologisch richtiger, im einzelnen besser motivirt, im ganzen zusammenhängender und klarer, in den Lebens- und Gefühlsäußerungen charakteristischer und wahrer erscheint dieserWeiße Teufel" gegenüber dem verworren blutige» Stücke Kyds, nach welchem unser Jaeob Ahrcr bekanntlich seineBelimperia" verfaßt hat.

Eine buntere, mannichfaltigere Poctengcsellschaft tritt nns im zweiten, dritten uud vierten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts entgegen. Auch nachdem der größte allerMeister" (den Webster gleichwohl nur für einen von vielen gelten lassen wollte) sich als Gentleman in die Znrückgezogcnheit seines heimatlichen Land­städtchens begeben und dann früh aus dein Leben geschieden war, drängte sich in London ein Heer von dramatischen Dichtern um die hölzernen Hahnengruben, in denen die Schicksale der Welt und die Hnmore aller Menschcngattungen dar­gestellt wurden. Grundverschiedue Naturen und Bildungen begegneten sich bei wetteifernder Arbeit für die Bühne. Gelehrte, die ihr lateinisches nnd griechisches Licht leuchten ließen: Benjamin Jonson selbst, der sich imCatilina" undSe- janus" einen so viel bessern Kenner der römischen Geschichte dünken mochte als Shakespeare und doch ein so viel dürftigerer Poet blieb, Chapman, der Homer- übcrsetzer, FraneiS Beanmont, der Jurist und Sohn eines Hochangesehnen Rich­ters, und John Fletcher, der Bischofssohn, die eine unzertrennliche poetische Ein­heit darstellten, nach englischem Vorurtheil jedenfalls die erstenGentlemen" unter den Dramatikern waren, Thomas Middleton, der ehemalige Soldat und Stadtpoet der City von London, Thomas Heywvvd, der allezeit fertige Viel­schreiber, welcher neben vielen Theaterstücken, unzähligen Prologen und Epilogen auch historische Schriften und Erzählungen verfaßte, Thomas Dekker, der im Schuldgefängnisse endete trotz des Zulaufs, denSchusters Feiertag" undDie ehrenhafte Buhlerin" gefunden, Shirley, der Convertit, welcher nach langer, wechselnder Laufbahn den Untergang der altenglischen Bühne, die Aufrichtung der ueueu (nach 1660) erleben sollte, Richard Brom, der seine Laufbahn als Ben Jonsons Diener begann und als Schüler von seines Meisters komischer Kunst eudete, hierzu Webster, Ford, Massiuger, wahrhaftig eine Fülle von Namen, charakteristischen Gestalten, verschiednen Lebensläufen, die interessant genng ist, lim es lebhaft beklagen zu lassen, daß wir in letzter Instanz doch so verzweifelt wenig über das Leben und die Persönlichkeiten dieser Dichter, über den Zu- Grmzbotm I. 1881. 68