Altonglischo Dramatiker.
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Die Werke der sämmtlichen genannten Dramatiker zeigen in einer gewissen Uiifertigkeit, in einer eigenthümlichen Mischung von poetischer Größe und geschmacklosem, unreifem Pathos, in stellenweisem Haften an der äußerlichen epischen Darstellungsweise des mittelalterlichen Dramas, die jeder dieser dramatischen Poeten für sich, aus eigner Kraft und auf eigne Gefahr zu überwinden hatte, einen gemeinsamen Typus. Die Lust an der rohen Kraft, die unverkennbare Theilnahme, mit welcher alle diese Dichter bei den heftigsten Antrieben und Leidenschaften der menschlichen Natur, den Lebensäußerungen eines Egoismus, welcher von keiner Pflicht und keinem höhern Bewußtsein gezügelt wird, verweilen, das Schwelgen in Brutalität, grausamen Thaten und noch grausamerer Rache für diese Thaten war das Resultat ihrer Erinnerungen und Lebensbeobachtnngeu, Indem sie ihre Blicke über den engen bürgerlichen Kreis hinaus richteten, in welchem sie geboren und erzogen waren, sahen sie auf der Bühne der großen Welt Gräucl, gehässige Triumphe und blutige Niederlagen. Ihr Publieum war daran gewöhnt, daß in jedem großen Spiel Glück und Leben eingesetzt ward. Die ersten Dramen von Kyd, Lodge und Marlvwe wurdeu geschrieben, bevor Maria Stuart ihr Haupt auf deu Block in der Halle von Fotheringay legte oder bald nachdem der offne und geheime Kampf um die englische Krone mit Marias Hinrichtung geendet. Ein unbündiges Wagen und Treiben, in Schranken gehalten und zu Zeiten erschreckt durch harte Gesetze und brutale Justiz, aber selten überwunden durch edle innere Bildung, bot sich dem Blick an der Oberfläche des Lebens und entsprach in seiner übertreibenden Widerspiegelung auf der Bühne den Idealen der schaulustigen, aetionslustigen Menge, welche die in London neuerrichteten Theater füllte. Es bleibt mehr zu bewundern, wie rasch die ältesten Dramatiker der neuen weltlichen Bühne andre und bessere Elemente in ihre Dramen aufnahmen, als es zu verwundern ist, daß sie die bezeichneten Elemente in ihrer Dichtung duldeten und walten ließen.
Obgleich uns die Persönlichkeiten dieser ältesten Dichter nur iu flüchtigen Umrissen gezeichnet werden, so sind sie uns doch als Gattung vertraut genug. Es war, was man auch im einzelnen dagegen sagen und beibringen mag, eine Generation von Wildlingen, die unter dem Fluche eiues Standes litt, den sie erst zu rechtfertigen hatte und dem die öffentliche Meinung, auch wo sie nicht von den zeternden Puritanern beeinflußt wurde, durchaus entgegentrat. So vielfachen Irrthümern Rümelin in seinen bekannten „Shakespearcstudien eines Realisten" erlegen sein mag, darin hat er unbedingt das Rechte getroffen,! daß die ältesten Dramatiker im Anschluß an ihre Genossen, die Schauspieler der neuen Bühne (oft waren sie ja beides zugleich!) ungefähr eine Stellung eingenommen haben, wie Seiltänzer, Athleten und Kunstreiter in spätrer Zeit. Man interessirte