Bertuchs Briefe an Gleim,
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gezwungen wurde auf einige Tage abwesend zu seyn. Diesen Augenblick benutzte W; er brach durch, griff C, A, ans Herz, sagte ihm erstaunende Wahrheiten, und riß ihm die Binde über G, völlig von den Augen. Natürlicherweise wehrte sich C, A., Meinungen fahren zu laßeu, die er bisher immer als Wahrheiten geglaubt hatte, allein W. kämpft wie ein Löwe für Wahrheit und gute Sache. Ich möchte ihn anbeten über das, was er gestern und heute gethan hat; denn eben gestern und heute sind erstaunend heiße Scenen zwischen ihm und C. A. hierüber vorgefallen. Dieser ist von Grund ans erschüttert, aber noch ist er ^leiä s.1 bivio. Die Wiederkunft des Gr. G., welche heut seyn wird, muß entscheiden wozu er greift, kann ihn dieser wieder übermeistern, sich anfs neue seines Vertrauens beinächtigen, so gängelt er ihn fort, wird Liebling, erster Minister, Regent nnd um W. sowohl als um mich ists für immer in Weimar gethan; denn W., so sehr er auch in der Welt auf nichts weitere Ansprüche macht, wird nicht länger in Abdera wohnen wollen, und mich, ein ehrlichen Mann und W. Frcuud und Vertrauten, wird sicher nicht ein Mann wie Gr. G. so nah um die Person des Herrn (als k>soi'öts.irs) leiden, wo ihm alles dran gelegen seyn mnß, eine von seinen Kreaturen zu haben. Kurz liebster, Theuerster Herzens Gleim, sinkt die Waage, die itzt noch schwebt, auf die Seite der Schurken und Narren, so gehen wir beyde, W. und ich von hier weg. Denken Sie indessen einmal, lieber Vater, denken Sie einmal ein bißgen mit kaltem Blute für uns, und welcher Plan, auf diesen Fall, für uns der beste und thunlichste sey. Für W., der doch auf jeden Fall seine Pension von WO Thlr. behält, denk ich, würde es am besten seyn, sich mit dem Götterbothen nach Halbcrstadt zu setzen, und diesen recht in Aufnahme zn bringen; für mich sehe ich aber kein ander Mittel, als irgendwo Dienst und eine Stelle zu suchen, wo ich nicht ganz äsMoirst bin; denn kähm es erst dahin, so braucht W. alles was ihm der Merkur bringt, als einen nöthigen Zuschuß zur Unterhnltnug seiner Familie nnd zu den Bedürfnißen seines Herzens, und unedel wäre es von mir, wenn ich ihm znmuthen wollte, mir etwas davon abzugeben. Kurz denken Sie einmal für mich, mein Herzensfreund; mein Kopf ist von den Teufeleyen zu heiß und zu verwirrt als daß ich etwas kluges denken könnte. Aber geschworen ist es, ehe will ich Gaßenfeger verden, als einem Schurken dienen, oder sein Werkzeng seyn einen verruchten Plan auszuführen.
Abends 9 Uhr.
Ich komme aus dem Concert, Gr. G. ist zurück, was ich fürchte, scheint sich zu bestätigen. Ich fragte W. ob er nichts an Sie zu bestelle» hätte, weil ich heute an Sie schrieb. „Grüßen Sie meinen Herzensbrader von mir, nnd bitten ihn, er soll mir indeßen die Federn und Strohalme zu einem Nestchen bei sich zusammentragen, weil sllilling, probMIitÄS da ist, daß ich in Zeit von einem Jahre nicht mehr hier bin. Diese Woche kann ich ihm noch nicht schreiben; es muß sich erst setzen."
Dies, liebster Gleim, sind die jetzigen Lagen der Dinge hier. Mit nächstem Posttage vielleicht das Detail davon, oder etwas mehr Entwickeltes. Hypokritcn, liebster Glcim, Hypokritcn kahmen aus Pandorens Büchse, denn sie sind die Suinm.i, allcs Bösen.
Hier ist Merknr vom Jnnius. Sind Sie zufrieden wie Wieland Halladat darin Präsentiert hat?
Kommen Sie, liebster Vater Gleim, ich umarme Sie und denke mich an Ihre Brust! in Ihre Arme!
Grmzbotcn 1. 1381. 63