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während der beiden Monate, die dem Schlüsse der Berliner Couferenz folgten, mit Briefen fort, in denen es heißt: „AllcS Nothwendige wird geschehen. Ich hoffe, daß die, welche von Osten her durch das Thor Kabuls eintreten wolleil, sehen werden, daß es geschlossen ist — dann werden sie, wenn es Gott gefällt, erbittern." Und weiterhin: „Der große Kaiser ist ein trener Freund des Emirs von Afghanistan, und Se. Majestät wird alles thun, was erforderlich ist. Ich sage Ihnen die Wahrheit: unsre Regiernng ist so klug wie eine Schlange und so arglos wie eine Taube, Nun, mein lieber Freund, theile ich Ihnen mit, daß der Feind Ihrer berühmten Religion durch den Sultan Frieden mit Ihnen zu machen wünscht. Deshalb sollten Sie auf Ihre Brüder blicken, die jenseits des Indus wohnen. Wenn Gott sie aufregt und ihnen das Schwert zum Kampfe in die Hand giebt, dann brecht in Gottes Namen los ; andernfalls sollten Sie wie eine Schlange sein, öffentlich Frieden schließen, insgeheim sich auf den Krieg vorbereiten und, wenn Gott Ihnen seineu Befehl offenbart, Krieg erklären. Wenn der Abgesandte Ihres Feindes das Land zu betreten wünscht, so wird es gut smi, zur Verhandlung mit ihm einen gewandten Emissär abzuschicken, der die Zunge einer Schlange besitzt und voll Trnglist ist, svdaß er mit süßen Worten das Gemüth des Feindes bethören kann."
Das war die Sprache des Bevollmächtigten des Zaren drei Monate nach der Verständigung in Berlin, und die weitern Stücke des mitgetheilten Briefwechsels zeigen, wie Schir Ali später 32 00V Mann russische Hilfstruppen verlangt, die man ihm versprochen hatte, wie er, von den Russen im Stiche gelassen, um Erfüllung ihrer Zusagen bat, wie sie vorgaben, das britische Gouvernement gezwungen zu haben, die Unabhängigkeit seines Landes zu garantireu, wie, nachdem das verborgene Complott in seinen Wirkungen durch den raschen Vormarsch der Engländer vereitelt worden, die russische Schlange sich unter die Fittiche der Taube verkroch. Die Schriftstücke lassen ferner erkennen, wie der unglückliche Emir sich von Kabul aufmachte, um seineu Freund, den Zaren, ans dem „Cvugresse" zu Petersburg zu treffen, auf welchem, wie Stoljeteff ihm geschrieben, „entweder durch Kraft von Worten und diplomatischer Wirksamkeit aller Verkehr und alle Einmischung Englands in Afghanistan abgeschnitten" werden sollten, widrigenfalls ein gewaltiger und wichtiger Krieg die Folge sein werde. Endlich liefern uns die Aktenstücke einen förmlichen Vertrag zwischen Rußland uud Afghanistan, auf Gruud dessen der Emir Schir Ali dann handelte, und der russischerseits treulos gebrochen wnrde, sodaß jener fliehen mußte und als Flüchtling in der Ferne einen traurigen Tod fand.
„Behandelt die Briten," so rieth der Vertreter des Zaren, „mit Truglist,
haltet sie hin, bis die kalte Jahreszeit vorüber ist, dann wird die russische Re- Grcnzlwlnl I. 1881. 55