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Gneisenau in den Jahren 1^3 ^5 bis ^3?^,
regel sei sehr geeignet, die Russen zu Preußens dankbaren Verbündeten zu machen für den bevorstehenden Krieg mit Frankreich. Mit ihnen zusammen würden dann die Preußen jenseits des Rheins mit Nebermacht erscheinen, wohlgerüstet und durch eine Vorschule an Kriegs-Erfahrung bereichert. Sein Interesse an den auswärtigen Verwicklungen tritt in seinen Briefen stark hervor. Namentlich beschäftigt ihn Frankreich. „Usurpator gegen Usurpator," schreibt er an Clansewitz (7. Decbr. 1830), „so ist mir der junge Napoleon (II.) lieber als König Philipp. Das allerbeste wäre, daß wir zwei französische Reiche stiften könnten, ein nördliches und ein südliches, jenes für Napoleon II., ein südliches für Heinrich vou Bourbon, oder meinetwegen für den König Philipp. Da wären wir eines starken Nachbars los. Die Moral könnte hiergegen Nichts einwenden, lind am Ende ist es meine Moral, dem König und Preußen glücklich zu dienen."
Daß die Bildung eines ganz unabhängigen Königreichs Polen, für welche ja der deutsche Liberalismus schwärmte, die größten Gefahreil für Deutschland im Gefolge gehabt hätte, erkannte er klar. „Die Polen würden sofort Westpreußen nnt Danzig von uns zurückzuerhalteu streben nnd später dann auch Galizien, und gelänge dieses z. B. während eines Krieges mit Frankreich durch Unglücksfälle, die doch auch nicht in: Reiche der Unmöglichkeiten liegen, so hätten wir stets Kriege in unserem Lande oder in unserer Nachbarschaft zu gewärtigen, ein Zustand, der uns bald eine politische Schwindsucht zuziehen würde." (An Gibsvne, Posen, den 24. April 1831.)
Auch der Verfassungsfrage in Preußen wendete er seine Aufmerksamkeit jetzt wieder zu. In einem Briefe an Stein (Posen, d. 11. Mai 1831) spricht er sich nochmals gegen die Centralrepräsentation aus, ehe das Volk nicht für das öffentliche Staatsleben besser alisgebildet worden sei. Er berührt dabei das Wahlgesetz, als die Hauptsache der Verfassung. „Das französische ist schlecht, das englische noch schlechter. Bloß nach dein Steuer-Ertrag das Wahlrecht und die Wählbarkeit abzuschätzen, verleiht dem Reichtthum und der Wohlhabenheit einen zu großen Einfluß uud wird immer die Proletarier in Bereitschaft znr Empörung setzen. Viel gerechter ist es, die Repräsentation nach Ständen zu ordnen: Standesherren, Adel, Bürgerthum und Bauernstand, und eine solche Verfassung hat einen alten germanischen Charakter."
Als das Trauerspiel iu Polen sich seinem Ende nahte, der Sieg der Russe» entschieden war, und dieser Sieg keine Gefahr für das benachbarte Preußen in sich zu bergen schien, schrieb Gneisenau an General Krauseneck (19. Mai 1831), „So viel haben wir aus diesem Kriege gelernt, daß alle die Besorgnisse, die man aus der Größe der russischen Macht schöpfen wollte, nichtig sind, sie, die Russen sind für lins sehr nützliche Bimdesgeiiossen und nicht zu fürchtende Feinde;