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Goethe und Gnstchen Stolberg.
zu denken; an allen dreien hat er damals gleichzeitig gearbeitet. Am 17. August schreibt er geradezu: „da ich aufstund war mirs gut, ich machte eine Scene an meinem Faust." „Egmont" scheint erst in den letzten Wochen vor dem Aufbruche nach Weimar ernstlich vorgenommen worden zu sein.
Aber auch an Anklängen an bestimmte Stellen seiner Dichtungen fehlt es nicht, aus denen man schließen kann, daß er sie in jenen Wochen unter den Händen gehabt hat. Gleich aus dem ersten Briefe blickt das Antlitz des Faust und des Prometheus hervor. Die ersten Worte, die er überhaupt an Gustchen richtet, lauten: „Meine Teure — Ich will Ihnen keinen Nahmen geben, denn was sind die Nahmen Freundinn Schwester, Geliebte, Braut, Gattin, oder ein Wort das einen Complex von all denen Nahmen begriffe, gegen das unmittel- baare Gefühl." Wem klängen hierbei nicht die Worte im Ohr, mit denen Fcmst im Religionsgespräche das ihn katechisirende Gretchen zu beruhigen sucht:
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist, Nenn' es dann, wie du willst, Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott! Ich habe keinen Namen Dafür! Gefühl ist alles.
Gleich darauf heißt es im Briefe: „Mußte er Menschen machen nach seinem Bild, ein Geschlecht das ihm ähnlich sey, was müssen wir fühlen, wenn wir Brüder finden, unser Gleichniß, uns selbst verdoppelt." Wer hörte hier nicht die Worte aus dem Monolog des Prometheus:
Hier sitz' ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei.
Am 3. August nach der Rückkehr aus der Schweiz schreibt er- „Unseeliges Schicksaal das mir keinen Mittelzustand erlauben will. Entweder auf einem Punckt, fassend, festklammernd, oder schweifen gegen alle vier Winde! — Seelig seyd ihr verklärte Spaziergänger, die mit zufriedner Anständiger Vollendung ieden Abend den Staub von ihren Schuhen schlagen, und ihres Tagewercks Göttergleich sich freuen." Wer dächte hier nicht an die „Grenzen der Menschheit" und an die verwandten Ideen über die tragische Doppelnatur des Menschen, die Faust, nachdem er von den glücklichen Spaziergängern in der Scene „Vor dem Thor" sich getrennt hat, seinem verständnißlosen Famulus entwickelt?*) Und endlich, wenn er in dem langen Tagebuchbriefe vom September schreibt: „Lass mein Schweigen dir sagen, was keine Worte sagen können" oder „Mir wars
*) Die „Grenzen der Menschheit" sind bis jetzt noch nicht sicher datirt. Sie passen doch wohl am besten in diesen Znsammenhang.